Die Politische Klasse begünstigt sich selbst

Weihnachtsgeschenk

Gemeinderat befriedigt persönliche Befindlichkeiten

Der Gemeinderat der Stadt Heilbronn hat in seiner Sitzung vom Montag, 19. Dezember, mehrheitlich beschlossen, das Redaktionsstatut des Amtsblatts, das unter dem Namen "Stadtzeitung" an alle Haushalte der Stadt zwei mal im Monat verteilt wird, derart zu verändern, daß künftig die drei Einzelstadträtinnen und -räte im Gemeinderat mit der Darlegung ihrer Sicht der Dinge im dort eingerichteten "Forum des Gemeinderats" erheblich benachteiligt werden.

War es schon bisher so, daß diese - im Gegensatz der sich jedesmal äußern dürfenden großen Fraktionen - sich nur jedes zweite Mal äußern durften, so wird dies nun auf jedes vierte Mal reduziert.

Veranlaßt wurde dies offensichtlich dem Vernehmen nach von Mitgliedern des Gemeinderats der im Ältestenrat vertretenen Parteien. Offensichtlich verwechseln einige Vertreter ihre persönlichen Befindlichkeiten - wie dies auch bei der Debatte im Gemeinderat von den Befürwortern aus CDU und SPD zum Ausdruck gekommen ist -, mit der Intention des "Forums des Gemeinderates", daß es sich bei den Veröffentlichungen nicht um die Selbstdarstellung einzelner Stadträte wie auch immer handelt, sondern um die Darstellung der Ansichten der  im Gemeinderat vertretenen Gruppierungen. 

Dazu hatte PRO-Stadtrat Alfred Dagenbach bereits nach Bekanntwerden des Vorhabens am 20. Oktober eine Anfrage an die Stadtverwaltung gerichtet, deren Beantwortung am 14. November abgesandt worden sein soll, aber seltsamer Weise jedoch erst nach der Beschlußfassung bei ihm eintraf - wie übrigens einige andere Anfragen ebenfalls noch unbeantwortet sind.

Die Beantwortung umfasste dazuhin lediglich die bereits bekannte Voraussetzung für das Handeln, nämlich die einschlägige Fraktionen bevorzugende Änderung der Gemeindeordnung durch den alten Landtag von Baden-Württemberg.  Die Fragen nach anderen Rechtsgrundlagen, wie Urteile des Verfassungsgerichtshofs, des Bundesverfassungsgerichts oder des Europäischen Gerichtshofs beispielsweise, die zu solchen bewußten, vom Landtag beschlossenen, Mißachtungen des Gleichheitsanspruchs ggf. ergangen sind, blieben unbeantwortet.

Alfred Dagenbach dazu in seiner Stellungnahme im Gemeinderat:

"Stellen Sie sich vor, der Bundestag würde beschließen, daß die großen Fraktionen zu jeder Wahl, die kleinen nur zu jeder zweiten und alle anderen Parteien nur jedes vierte Mal an einer Wahl teilnehmen dürften.

Genau in diese Richtung läuft es jetzt mit der Auslegung der Änderung der Gemeindeordnung durch den alten Landtag, bestehend aus der CDU, den Grünen, der SPD und der FDP, wenn auch auf anderem Gebiet mit der Teilhabe an der Willensbildung des Volkes.

Schon die jeweiligen Machthaber in der Antike pflegten den Gebrauch, mißliebige Ansichten zumindest so klein wie möglich zu halten, wenn nicht ganz und gar zu verbieten.

Die Pharaonen fälschten dazu sogar Wandtafeln mit den Hieroglyphen.Heute regen wir uns zu Recht darüber auf, daß in Polen nicht regierungskonforme Medien Einschränkungen unterworfen werden oder in der Türkei reihenweise Journalisten mundtot gemacht werden, von russischen oder chinesischen Methoden ganz zu schweigen.

Hier ermöglicht dieser Landtagsbeschluß nun, das Redaktionsstatut des zur Neutralität und Überparteilichkeit verpflichteten Amtsblattes so hinzubiegen, daß eine ausgewogene und gleichberechtigte Darstellung der Positionen aller im Gemeinderat vertretenen Teilen der Gesellschaft unterbunden werden kann.

Das ist nicht mehr, sondern weniger Demokratie, denn damit wird ganz bewußt neben der Meinungsfreiheit der Gleichheitsanspruch mit Füssen getreten.

Den Fraktionen des Gemeinderats ist laut dem extra neu geschaffenen Artikel 20 Absatz 3 Gelegenheit zu geben, ihre Auffassungen zu Angelegenheiten der Gemeinde im Amtsblatt darzulegen, heißt es dazu lapidar.

Doch die Tatsache, daß nur von Fraktionen die Rede ist, offenbart eindeutig die undemokratische Zielrichtung dieses von der politischen Klasse Baden-Württembergs beschlossenen Paragraphen, zumal es Gemeinden gibt, die gar keine Fraktionen kennen.

Und gäbe es nur eine oder zwei Fraktionen, die zusammen auch noch in der Minderheit wären, so könnten nur diese das Recht für sich in Anspruch nehmen.

Daß dies demzufolge in einem Redaktionsstatut festgelegt werden soll, darf aber kein Freibrief dafür sein, dies in dieser Weise auszunutzen.

Ich verweise darauf, daß die Beiträge nicht die Sichtweise des Einzelmitglieds des Gemeinderates repräsentieren, sondern diejenige der im Gemeinderat vertretenen Partei oder Wählervereinigung.

Eine Einschränkung in dieser beabsichtigten Weise kommt demnach einer Reduzierung des Rechts, an der freien Willensbildung und Gestaltung des öffentlichen Lebens teilzuhaben, gleich.

Nachdem Sie auf meine diesbezügliche Anfrage vom 20.10.2016 unter anderem zur Rechtslage auch nach Ablauf der Vierwochenfrist und auf Anmahnung bislang im Vorfeld der Beschlußfassung eine Beantwortung verweigert haben, stimme ich dieser Drucksache schon aus diesem Grund nicht zu".