Bürokratur Schwarze Arbeit beim Land? Lehrer nach 18 Unterrichtbesuchen entlassen
Läßt das Land unbezahlt arbeiten? >
Am 29.Januar 2014 strahlte die ARD die dokumentarische Verfilmung
eines der größten Justizirrtümer der bundesrepublikanischen Rechtsgeschichte
aus: Den Fall Harry Wörz. Jetzt kämpft derselbe Harry Wörz mit eiskalten
Bürokraten, die ihn nur hinhalten in seinem Kampf um die Selbstverständlichkeit
der Wiedergutmachung. Doch wie viele Harry Wörz gibt es, die, trotz
aufopferungsvollen Kampfes - bis an ihre Grenzen bzw. bis an ihr Ende - nie zu
ihrem Recht kommen und deren Leben durch ein abgeschottetes System wohlig
versorgter Lebenszeitbeamter, deren einzige berufliche Befriedigung aus
formaljuristischer Abnickerei besteht, unwiederbringlich ruiniert wurde?
So, wie im uns bekannt gewordenen Fall eines Gymnasiallehrers, dessen Geschichte
keinesfalls einmalig zu sein scheint. Bekannt wurden selbst schon Todesfälle vom
Herzversagen bis zum Suizid, die es dann bis in die Medien geschafft haben,
nachdem sie sogar mit widerlegten Anschuldigungen nicht mehr fertig wurden. Im
vorliegenden Fall geht es um den erstaunlichen "Absturz" eines mehrfach mit der
Note "2,5" bewerteten Studienrates, der sich zur Übernahme in das
Beamtenverhältnis einem fast unglaublichen Prüfungsmarathon ausgesetzt sah, an
dessen Ende er schließlich mit der Note "5" bewertet und entlassen wurde.
Offenbar wurde ihm auch zum Verhängnis, daß er wenige Tage nach der Beisetzung
seiner von ihm betreuten und auf qualvolle Weise verstorbenen Mutter und erst
ein Tag vor der Abgabefrist der abschließenden Probezeitbeurteilung ohne die
geringste Vorwarnung einen weiteren Beurteilungszeitraum über sich ergehen
lassen mußte. Das sollte ihm keine großen rechtlichen Nachteile bringen, hieß
es, wenn er dem zustimmen würde, doch hätte eine Weigerung die sofortigen
Entfernung aus dem Dienst zur Folge.
Daß das qualvolle Sterben seiner Mutter den Betroffenen derart belastet hat, war
dem zur Fürsorge verpflichten Dienstvorgesetzten durchaus bekannt und läßt die
Frage offen, weshalb dieser nicht den Untergebenen beispielsweise zu einer Kur
verpflichtet hat, statt diese Situation zu ignorieren und ihm die daraus
offensichtlich entstandenen angeblichen Leistungsabfälle anzulasten?
Ob nun schließlich die anrückenden Prüfer selbst oder nur die vorgesetzte
Behörde ihren Aufgaben nicht gewachsen waren, läßt sich nicht unmittelbar
feststellen. Gewöhnlich sehen aber sachverständige Experten bei der Bewertung
einer Arbeit sofort, ob etwas nicht in Ordnung ist, jedenfalls in anderen
Branchen. So stand denn auch erst nach insgesamt 18 (!) angemeldeten und
unangemeldeten Unterrichtsbesuchen das Ergebnis fest.
Und daß dies nach diesem Prüfungsmarathon dann endlich verheerend ausgefallen
ist, dürfte Schulpsychologen nicht verwundern. Denn der Reputation des
Delinquenten gegenüber seinen Schülern ist solches in keiner Weise förderlich.
Eine derartige Häufung von Unterrichtsbesuchen untergräbt das
Vertrauensverhältnis von Schülern zu jedem Lehrer. Im normalen Arbeitsleben wird
so etwas manches mal als Mobbing oder Bossing empfunden.
Nicht verwunderlich ist daher auch, daß dann Behauptungen von Seiten schwieriger
Schüler in Umlauf gesetzt wurden, für die sich manche später zwar
entschuldigten, die zugehörigen Elternbriefe aber dennoch entgegen jeder
Fürsorgepflicht des Dienstvorgesetzten Eingang in das Verfahren gefunden haben.
So, daß jeder, der davon erfuhr, sich "sein" Bild prägen konnte.
Seltsam: Dem Lehrer wurde noch ein Jahr zuvor mehrfach von Schülern angetragen.
sich doch für die Wahl zum Vertrauenslehrer aufstellen zu lassen. Doch dem 18
mal geprüften Lehrer stand am 10.09.2012 aufgrund der nun endlich feststehenden
"mangelhaften" Leistungen die Entlassung zum Monatsende bevor.
Zuvor war der Studienrat bereits rund 3 Jahre im Schuldienst, ohne daß es in
dieser Zeit irgendwelche Hinweise auf seine nun offenbar erst jetzt als
mangelhaft dargestellte Arbeitsleistung gegeben hatte. Bereits Ende Mai hatte er
den neuen Lehrauftrag für das nächste Schuljahr erhalten, was die Frage
aufwirft, ob der zu diesem Zeitpunkt parallel laufende Prüfungsmarathon wohl
noch nicht das dann ein Vierteljahr später endlich erreichte Ergebnis hatte?
Das sei ein Versehen gewesen aufgrund des damaligen Schulleiterwechsels, hieß es
dazu. Die Information, dass der Lehrer entlassen werden sollte, sei durch den
Schulleiterwechsel verloren gegangen. Für diesen am ersten Schultag, dem
10.09.2012, "korrigierten" Fehler entschuldigte sich dann der im Referat 72 für
Personal- und Verwaltungsangelegenheiten der Lehrkräfte zuständige
Sachbearbeiter im Regierungspräsidium Stuttgart, Marc Falkenbach, was dennoch
zum Nachdenken über die "Fähigkeiten", über andere zu befinden, anregt. Immerhin
wird auf diese Weise der Betroffene zunächst in die Irre geführt.
Daß der betroffene Lehrer sich ob einem solchen nachhaltigen Erlebnis wehrt und
alle Hebel dagegen einsetzt, ist er nicht nur sich selbst schuldig, sondern es
ist auch sein gutes Recht, sich neben Widerspruch und Klage mit einer Petition
an den Landtag zu wenden. Möglicherweise viel zu spät, denn die Mühlen der
Bürokraten hatten ihr Malwerk längst vollendet.
Im den laufenden Verfahren hörte ihn zwar bis heute niemand persönlich zu den
von seinen Dienstvorgesetzten gemachten Angaben an, doch formularjuristisch
korrekt wurde er erst einmal weiterbeschäftigt, denn seine offensichtlich doch
vorliegende Lehrbefähigung wurde weiter in Anspruch genommen und er per
Dienstanweisungen angewiesen, seinen Dienst wieder aufzunehmen.
So "durfte" er noch rund zweieinhalb Monate für das Land Baden-Württemberg
arbeiten. Niemand hat ihn aufgrund seiner "derart mangelhaften" Arbeitsleistung
etwa beurlaubt oder suspendiert, woraus sich die nächste Frage ergibt, ob mit
diesen Maßnahmen billigend in Kauf genommen wurde, daß die Schüler durch dessen
zuvor als schlecht eingestuften Unterricht ein Bildungsdefizit erlitten haben?
Immerhin hatte man ihn auch insbesondere in dieselbe bedauernswerte Klasse
gesetzt, der er ja angeblich schon im Jahr zuvor durch "Schlechtunterricht"
schwerste Lerndefizite zugefügt haben soll.
In seiner 5-jährigen Lehrertätigkeit hatte er über 1000 Schüler ganzjährig
unterrichtet. Nun hatte man ihm diese schulbekannte Problemklasse, wegen der
gestandene Lehrer in den Jahren zuvor dienstunfähig geschrieben werden mussten,
in der Unterrichtsbeurteilungsphase sogar in beiden Fächern zu seiner
Beurteilung zugeteilt.
Doch die Untiefen der Bürokratie holen ihn nach seiner Entlassung erst noch ein.
Der sich auf die Bestimmungen des Landesbesoldungsgesetzes Baden-Württemberg
berufende Sachbearbeiter Falkenbach ließ dem für die Besoldung zuständigen
Landesamt erst mitteilen, daß der betroffene Lehrer mit Ablauf des 10.12.2012
entlassen worden sei und ließ dies später auf den 30.9.2012 zurückstufen.
Mit fatalen Folgen für den Delinquenten. Denn dieser soll nun seine zwischen den
beiden Daten bezogenen Dienstbezüge - für die er ja tatsächlich gearbeitet hat -
in vierstelliger Höhe zurückerstatten. Damit wird in formaljuristisch fast
perfekter Auslegung des Personalrechts so getan, als sei der Lehrer für die
Schule garnicht mehr existent gewesen.
Hinzu kommt, daß das Land Baden-Württemberg für dessen rund zweieinhalb Monate
lang erbrachte Leistung auch keine Sozialabgaben zu leisten hätte. In der freien
Wirtschaft stände da recht schnell die dafür zuständige Zollbehörde vor der Türe
und würde den betroffenen "Laden" nach Schwarzarbeit überprüfen.
Damit ist es jedoch nicht genug, was dem Lehrer schlaflose Nächte und Zweifel am
menschenwürdigen Umgang bereitet. Die Krankenkasse - aus der er auf Grund der
geltenden Gesetze nicht aussteigen kann - macht ihm ebenfalls Schwierigkeiten,
denn ebenso formaljuristisch war er weiterhin Mitglied in der für Beamte
zuständigen Privatversicherung, also verlangt auch sie ihr Geld.
Eine erste Anfrage an das Landesamt für Besoldung durch den über den Vorgang
informierten Heilbronner Stadtrat Alfred Dagenbach ergab, daß dieses Amt
lediglich ausführendes Organ sei für das, was ihm von der Personalstelle
mitgeteilt wird. Der dort zuständige Herr Falkenbach wies die am 29. Januar 2014
am Telefon gemachte Frage, ob das Land "schwarz" arbeiten läßt, zunächst als
"sozialpolemische Anfrage" zurück und begründete die nicht zu bezahlende
Arbeitsleistung damit, daß der Betroffene aufgrund der geltenden Rechtslage
keinen Anspruch auf Bezahlung seiner nach dem Entlasstermin geleisteteten ca.
zweieinhalbmonatigen Tätigkeit für das Land Baden-Württemberg habe und wies im
weiteren Verlauf wiederholt auf die formaljuristischen Bedingungen, wie auch die
Vorlage einer Vollmacht, hin.
In einem darauf an ihn gesandtem eMail wurde ihm das Gespräch mit dem Inhalt
bestätigt:
"... wie Ihnen soeben bezüglich meiner Nachfrage wegen der ausstehenden
Gehaltszahlung im Falle des Herrn ... zugesagt, füge ich dieser eMail die
Vollmacht des Herrn ... als pdf-Datei an. Ich hatte Sie angerufen, da [Sie] von
Mitarbeitern des Landesamts für Besoldung als zuständigen Dienstvorgesetzten
benannt wurden, auf dessen Angaben sie handeln würden. Wie ich Ihren
Ausführungen entnehmen konnte, hat Herr ... keinen Anspruch auf Bezahlung seiner
ca. zweieinhalbmonatigen Tätigkeit für das Land Baden-Württemberg, zu der er,
ohne von Ihnen über diesen Tatbestand informiert worden zu sein, nach seiner
Entlassung von seinem Dienstherrn verpflichtet wurde. Er wurde auch nicht wegen
"Unfähigkeit" von diesem zusätzlich zu leistenden Dienst befreit oder beurlaubt.
Sozialversicherungsbeiträge wurden vom Land dafür offensichtlich auch nicht
geleistet. Im Übrigen sei nach Ihrer Auskunft das Landesamt für Besoldung für
den jetzt eingetretenen Sachverhalt zuständig."
Der auch kontaktierte Vorgesetzte kannte nach seinen Angaben den Fall nicht und
wollte sich dazu kundig machen, was er offensichtlich auch sofort unternahm,
denn die Antwort aus des Sachbearbeiters Falkenbach vom 30.1.2014 ließ diesen
Schluß zu:
"... nachdem Sie mit
meinem Vorgesetzten ... gestern telefoniert hatten, hat er mich nach nochmaliger
Erörterung der Thematik gebeten, Ihnen zu antworten, was ich hiermit gerne
erledige.
Wie bereits fernmündlich dargelegt, ist in rechtlicher Hinsicht in Bezug auf die
Rückforderung von Bezügen unzweideutig das Landesamt für Besoldung und
Versorgung in Fellbach (LBV) zuständig, wenngleich klarzustellen ist, dass wir
der Auffassung sind, dass die Rückforderung der Bezüge im Fall des Herrn ...
erfolgen sollte, denn mit Wirksamwerden bzw. Vollzug der Entlassungsverfügung
entfällt der Anspruch auf Besoldung auch wenn über den Entlassungszeitpunkt
hinaus gearbeitet wird (insbesondere dann, wenn diese Arbeitsleistung derart
mangelhaft war, wie die des Herrn ... ). Da wir diese Auffassung dem LBV
mitgeteilt haben, gehe ich davon aus, dass womöglich deshalb das LBV Ihnen
mitteilte, dass das Regierungspräsidium so entschieden habe. In formeller
Hinsicht ist und bleibt aber die Rückforderung von Bezügen eine Entscheidung des
LBV."
Die darauf am folgenden Tag, 31. Januar 2014, an ihn gestellte Reihe
explizierter Fragen zum (weitgehend oben geschilderten) Gesamtvorgang erwiderte
Herr Falkenbach lapidar mit "... all Ihre Fragen wurden bereits Herrn ...
(bzw. seinem Anwalt) beantwortet und auch gerichtlich geltend gemacht und
gewürdigt. Sie haben sicherlich Verständnis dafür, dass ich von einer
Wiederholung der diesbezüglich bereits erfolgten Antworten an dieser Stelle
absehe und auf die Herrn ... vorliegenden umfangreichen Stellungnahmen des
Regierungspräsidiums zu diesen Fragen verweisen darf, die er Ihnen sicherlich
gerne zur Verfügung stellen wird. Sollten darüber hinaus neue und bislang nicht
beantwortete Fragen anstehen, stehe ich Ihnen selbstverständlich gerne zur
Verfügung."
Alfred Dagenbach erwiderte diese Mitteilung noch am gleichen Tag: "...Zu
Ihrer ausweichenden Beantwortung meiner Fragen gestatten Sie mir die Anmerkung,
daß deren Beantwortung keinesfalls auf diese Weise erfolgt ist, wie
beispielsweise zur Frage, ob es zutrifft, 'daß Sie auf die Zurückweisung der
Unterstellung, Herr ...habe nicht auf Anordnungen der Schulleitung reagiert,
durch seinen Anwalt trotz Ihrer Zusage vom 1.10.2012 dies "verifizieren" und
darauf zurückkommen zu wollen, dies unterlassen haben?' "
Eine Erwiderung ist darauf bisher nicht erfolgt, doch ergab eine
zwischenzeitliche Überprüfung der letzten knapp gehaltenen Auskunft zu der
Fragereihe, daß selbst die kurz gehaltene Antwort erhebliche Lücken im
Wahrheitsgehalt hat.
Alfred Dagenbach dazu: "Insbesondere die Ausgangsfrage, ob das Land
Baden-Württemberg dem Vorgang zufolge 'schwarz' arbeiten läßt, ist nach wie vor
offen, wie auch manches andere nicht nur in diesem Zusammenhang mit der
Bürokratur im Argen legt."
Offenbar sind Fälle wie jener des Harry Wörz oder eines Gustl Mollath nur die
Spitze eines Eisbergs, welche in die Mühlen einer dank Personaleinsparungen
überforderten Justiz geraten sind, die durch Überlastung nicht mehr in der Lage
ist, den Dingen auf den Grund zu gehen.
Bürgerbewegung PRO Baden-Württemberg e.V.
1.Vorsitzender: StR Alfred
Dagenbach - 2.Vorsitzender: Fred Steininger
Eingetragen beim Amtsgericht Heilbronn
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