Über Weisheit und Politik
Gedanken zu Dreikönig
Von Alfred Dagenbach
Schon in der Woche zu "Dreikönig" merkt man: Das noch junge
neue Jahr geht schon wieder rastlosen Schrittes auf das nächste zu. An diesem
Tag wird der "Heiligen drei Könige" gedacht, die der biblischen Überlieferung
zufolge in Bethlehem, einem "Stern" folgend, dem neu geborenen Jesus gehuldigt
haben.
Ob es wirklich Könige, Scheichs oder Stammesfürsten waren, ist nicht erwiesen,
werden sie doch auch die "Weisen aus dem Morgenland" genannt. Letzteres, sprich
Gelehrte, waren es sicher. Mindestens waren sie sehr sternenkundig, denn heute
wissen wir, daß es in der Zeit um Jesu Geburt mindestens zwei besondere
Ereignisse am Himmel gab: Zum Einen den Halleyschen Komet, der damals noch
prächtiger gewesen sein könnte. Denn bei jedem Umlauf verliert ein Komet an der
Substanz, aus dem der Schweif besteht. Zum Anderen eine Konstellation aus den
beiden größten Planeten des Sonnensystems, dem Jupiter und Saturn im Jahr 7 v.
Chr. im Sternbild der Fische. Zusammen strahlten sie heller am ohnehin bedeutend
prächtigeren Sternenhimmel des Orients, als alles andere.
Dennoch könnten die Weisen Fürsten gewesen sein, denn bis hinein in die jüngere
Zeit konnten es sich nur Wohlhabende leisten, ihre Sprößlinge schulen zu lassen.
Wer in Königshäusern des Altertums etwas auf sich hielt, ließ den Nachwuchs von
den besten Lehrern des Landes nicht nur im Schreiben, Lesen und Rechnen
unterrichten. Schließlich brauchte man zu diesen Zeiten noch Verstand, um ein
Volk führen zu können. So waren auch spätere Könige gleichzeitig "Weise" und
Gelehrte: Das "Vogelbuch" Kaiser Friedrich II. ist dafür nur ein Beispiel.
Wissen und Können waren schließlich auch die Kriterien, mit denen man in der
Wahlmonarchie des Ersten Deutschen Reiches vor den Kurfürsten bestehen können
mußte, um die Kaiserwürde zu erlangen. Es war eine Auslese des primus inter
pares, des Besten unter Gleichen.
Heute sind wir davon weit entfernt und das signalisiert uns auch den Zustand der
'Politischen Klasse' unseres Landes. Emotionen und falsche Versprechungen prägen
die Wahlkämpfe um die Herrschaft im Lande, Zeitgeist und Ideologien statt
Weisheit und Können. Selbst Spaßvögel und abgehalfterte Wichtigmänner gaukeln um
die Gunst der Stunde und finden sogar noch Einfaltspinsel, die auf sie setzen.
Doch nicht die Besten stehen zur Wahl, sondern jene, die sich selbst mit List
und Tücke einschleimend die aussichtsreichsten Plätze notfalls auch mit
Ellenbogen ergattern können. "Freund, Feind, Parteifreund" ist nicht nur von
Ungefähr ein geflügeltes Wort geworden und es gilt, schaut man sich die Szenen
auf den Bühnen der mehr oder weniger hohen Kunst der Politik einmal näher an,
von Links- bis Rechtsaußen gleichermaßen.
Der Sumpf des politischen Alltags weitet sich dabei immer weiter aus. Nicht
einmal das Amt des Bundespräsidenten hat mehr den Respekt derer, die auf
Augenhöhe besser damit umgehen müßten. Mobbing oder besser: Bossing ist ein weit
verbreiteter Sport der selbsternannten Elite geworden - ganz im Zeichen des
geistigen Abstiegs der herrschenden Klasse seit den Zeiten, als Herrscher noch
Wissende waren.
Man wundert sich also im Volk auch nicht mehr, was das Intriganten- und
Querulantentum bis in höchste Ämter in Politik, Parteien und Verwaltungen
hochspielt und mit welch primitiven Floskeln dann vermeintliche Konkurrenten in
Schach gehalten werden müssen. Schließlich wissen die Emporkömmlinge eines ganz
genau: Wie sie selbst sich in Amt und Würden gebracht haben. Und was man sich
selbst zutraut, traut man ja noch mehr "den andern" zu.
Auch 'Vitamin B' spielt dabei nicht nur seine Rolle bei der Vergabe lukrativer
Pöstchen. Gutdotierte Jobs in Chefetagen und Aufsichtsräten, von deren Branchen
man noch nicht einmal etwas verstehen muß, sind nur das, was an die
Öffentlichkeit gelangt. Es ist nur die Spitze des Eisbergs. Darunter verbergen
sich Zigtausende Parteibuch-Karrieren in Ämtern und Verwaltungen.
Parteispenden und Sponsoring von Bewerbern für Wahlämtern gehören genauso dazu.
Weil man selbstverständlich "demokratisch gerecht" sein will, gibt man an die
Konkurrenten gleichermaßen. Natürlich macht man das nicht, weil sich dann jeder
dem Spender verpflichtet fühlen muß. Da es in Deutschland selbstverständlich
keine korrupten Politiker gibt, haben schließlich spätere Entscheidungen, von
denen die Spender "rein zufällig" profitieren, damit garnichts zu tun.
Freunderlwirtschaft und Amigos soll es ja nur in Bayern geben. Ein übler Schelm,
wer Böses dabei denkt, auch wenn schon Schiller wußte: "Die kriechende
Mittelmäßigkeit kommt weiter, als das fliegende Talent". Immer mehr brave
Beitragszahler der "Volksparteien" merken, wo der Hund begraben liegt und
flüchten deshalb zu Zehntausenden aus ihnen.
Doch große Teile des Volkes haben es noch, was der "Politischen Klasse" heute
fehlt: ein feines Gespür für Menschlichkeit und Ehrlichkeit im Leben.
Berauschende Worte und pathetisches Getue sind längst als hohle Phrasen
entlarvt. Es quittiert die Wahlen zunehmend mit Politikverdrossenheit und bleibt
diesen fern. Wer dennoch wählt, wählt meist nicht aus Überzeugung, vielleicht
aus Protest, aber meist, um noch Schlimmeres zu verhindern. Das kleinere Übel
eben. Ändern wird sich solches nicht sehr schnell. Solange machtbesessene
Selbstdarsteller die Fäden in der Hand halten, wird es eher noch weiter bergab
gehen.
Wer etwas Einblick und Erfahrung im politischen Leben gewinnen konnte, hat von
großspurigen Besserwissern über machtgeilen Phrasendreschern, schwadronierenden
Führernaturen und Volksverdummern bis hin zu Märchenonkeln und -tanten,
Legendenbastlern und Hochstaplern schon alles erleben dürfen. Und zwar nicht nur
beim Establishment.
Zumeist ging es den sich selbst als jene Sehenden, nach deren Pfeife andere
tanzen sollen, nur darum, mangels eigener beruflichen Fähigkeiten an den
staatlichen Fleischtöpfen partizipieren zu können.
Auffällig ist ohnehin, wie stark sich dabei einige wenige Berufsgruppen auf dem
politischen Parkett tummeln, von denen man eigentlich annehmen sollte, daß sie
im richtigen Leben ihren Lebensunterhalt ausreichend selbst zu finanzieren in
der Lage wären. So repräsentieren - auch Dank der von diesen wie in einem
Selbstbedienungsladen selbst beschlossenen und gegenüber einem vertretbaren
Kosten-Nutzen-Verhältnis weit überzogener Diätenzahlungen - unsere Parlamente
schon längst nicht mehr den Querschnitt der Bürger unseres Landes.
Uneigennutz ist ein seltener Grund für politisches Engagement, das haben die
Bürger inzwischen auch im Westen der Republik zum Überdruß begriffen.
Sie gehen beispielsweise in Stuttgart zu Zigtausenden auf die Straße, um sich
gegen die Scheinheiligkeit der praktizierten Bürgerbeteiligung durch die
herrschende "Politische Klasse" zu wehren. Dennoch glauben manche aus der
Camarilla der Macht immer noch, im Mißbrauch des von den Bürgern oft nicht
einmal mehrheitlich vergebenen Mandats, rechthaberisch mit unwahren Behauptungen
die Leute weiter verdummen zu können. Mit dem Amt, so meinen sie, habe Gott
ihnen ja auch den fehlenden Verstand gegeben. Denn man könnte meinen, sie hätten
noch nicht begriffen, daß im Blick auf die Landtagswahl ihre Vordenker schon mit
durchsichtigen Floskeln den verbalen Rückzug angetreten haben, um noch zu
retten, was nicht mehr zu retten ist. Nein, sie wissen so gut wie die Wähler
längst, daß auch solches nur bis zum Wahltag Gültigkeit hat.
Es ist die Schleimspur, auf der man "nach oben" kriecht, denn auch, wenn manche
ihre Pirouetten dabei drehen: Schwarzrotgelb im Landesparlament steht unverrückt
hinter dem Zankapfel "Stuttgart 21". Die Spekulation lautet daher, Rotgrün könne
es deshalb nicht geben und flöge Gelb aus dem Parlament, gebe es eine Große
Koalition. Das ist die Hoffnung, auf die die Camarilla setzt und da muß man
natürlich rechtzeitig buckeln.
Die Politik ist also von Ehrlichkeit noch weiter weg denn je. In allen Lagern.
Man mache sich darum nichts vor: Es bedarf mehr als Schall und Rauch, die nach
einer Wahl als Mittel zum pekuniären Zweck wieder verflogen sind.
Es sieht nicht so aus, daß wieder mehr Weisheit in die Politik einkehrt, auch
wenn es einem manche - alle Wahlen wieder - weis machen wollen.
Bürgerbewegung PRO Baden-Württemberg e.V.
1.Vorsitzender: StR Alfred
Dagenbach - 2.Vorsitzender: Fred Steininger
Eingetragen beim Amtsgericht Heilbronn