Bürgernähe in Theorie und Praxis
Kaum ist eine Wahl vorüber, lachen sich die Verantwortlichen ins Fäustchen: Wieder einmal ist es gelungen, die Wähler erfolgreich über den Tisch zu ziehen.
Der große Bluff bei allen Wahlen mit der
versprochenen besseren Bürgernähe.
Keine Wahl vergeht, bei der die Kandidaten des
Establishments ihre Bürgernähe populistisch in allen Varianten propagieren.
Schließlich geht es um saftige stellige Jahresgehälter
Nach der Wahl ist alles schnell vergessen und nichts
von den hehren Sprüchen bleibt übrig.
Zwei Beispiele aus dem Baugebiet "Schlüsseläcker
Nord" im Heilbronner Stadtteil Klingenberg belegen, wie weit die Praxis von der
Theorie abweicht.
Möglicherweise kann es dabei auch eine Rolle spielen, daß man eigene Fehler der
Stadtverwaltung nicht eingestehen und mit rabulistisch klingenden Ablehnungen
kaschieren will - um sie dann später "aus eigener Erkenntnis" doch umzusetzen.
Fall 1: Fehlende Spiegel
So beklagten sich Bürger über gefährliche
Verkehrsverhältnisse in der Albert-Wagner-Straße in Klingenberg.
An zwei Stellen sei die Einsicht derart
unübersichtlich, daß es bereits zu Unfällen, in einem Fall mit einem Kind,
gekommen sei.
Der Fall
sei der Stadtverwaltung bereits seit längerem bekannt, trotzdem lehne diese
Spiegel zur Verbesserung der Situation ab.
Man nehme dort das Unfallrisiko einfach billigend in
Kauf, hieß es dazu in einer
Anfrage
von PRO-Stadtrat Alfred Dagenbach.
Nach wie vor könnten nur Spiegel die Situation
entschärfen, bevor noch mehr passiere.
Auf der Anfrage beigefügten Bildern werden die
Situationen dargestellt und die Stellen der fehlenden Spiegel markiert.
Ernüchternde Antwort der Verwaltung
Die geschilderten Probleme einiger Anwohner sollten
durch ein nachbarschaftliches Miteinander gelöst werden, heißt es da lapidar in
einer Antwort aus dem Baudezernat unterstellten Amt für Straßenwesen.
Die Bepflanzung sei nicht städtisch angelegt: "Wenn
die eigene Bepflanzung die Sicht beeinträchtigt, ist der Eigentümer selbst
verpflichtet durch Rückschnitt der Hecke oder ähnlichem für mehr Übersicht zu
sorgen".
Dabei war von
der Bepflanzung in der Anfrage überhaupt nicht die Rede.
"Zum Thema Spiegel" wird dann suggeriert, "dass
Verkehrsspiegel grundsätzlich eine falsche
Sicherheit vermitteln" würden.
Als Erkenntnis aus langjährigen Untersuchungen bleibe
festzuhalten, dass ein Verkehrsspiegel trotz des Vorteils der besseren Sichten
nicht für mehr Sicherheit sorge.
Und man zählt dann auch noch sich daraus ergebende Nachteile gleich reihenweise auf:
Ergo: "Aus den vorgenannten Gründen, lehnt das Amt für
Straßenwesen die Anbringung eines Spiegels zum jetzigen Zeitpunkt ab", so teilt
es mit freundlichen Grüßen Christiane
Ehrhardt, Chefin des Amts für Straßenwesen
in Ihrer Antwort mit.
Replik
PRO-Stadtrat Alfred Dagenbach
griff die abstrus klingenden Ausreden zu einer
Erwiderung auf und teilte der bereits mehrfach durch derartig neben der Sache
liegenden weisungsgebundenen Amtsführung zu deren Verweis auf die eingeforderte
Lösung durch "nachbarschaftliches Miteinander" zunächst mit, daß die
Stadtverwaltung und ihre dafür zuständigen Mitarbeiter grundsätzlich auch zur
Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit zuständig ist:
"Das ist auch durch präventive Maßnahmen sicher zu
stellen".
Alfred Dagenbach:
"Es ist nicht Aufgabe irgendwelcher Nachbarn, von denen in der Anfrage überhaupt
keine Rede ist, an die Stelle städtischer Versäumnisse zu treten, vielmehr ist
es dann Aufgabe der zuständigen Behörde, dafür Sorge zu tragen, daß unzulässige
Sichtbehinderungen entfernt werden, soweit hierzu nicht die Rechtsgrundlage
fehlt."
Zur fulminanten Rabulistik
über die Ablehnung eines Spiegels sei nach Ansicht
Alfred Dagenbachs
die Frage zu stellen, weshalb dann die Stadtverwaltung überhaupt Verkehrsspiegel
an anderen Stellen der Stadt aufgestellt hat?
Auch die Allerweltsweisheit, daß ein Verkehrsspiegel "den Fahrzeugführer nicht von der allgemeinen Umsichtspflicht" entbinde, lernt jeder Führerscheinanwärter schon in den Fahrstunden und es bedarf dazu nicht einer solchen Schulmeisterei, so schreibt er weiter, Prävention gehe stattdessen nach dem Prinzip "Gefahr erkannt, Gefahr gebannt".
Offensichtlich weiß man aber im Amt sehr wohl um
die Vorteile eines Spiegels, nur kann man wieder einmal nicht eingestehen, daß
man auf dem falschen Fuß erwischt worden ist und lehnt "die Anbringung eines
Spiegels zum jetzigen Zeitpunkt ab."
PRO-Stadtrat Alfred Dagenbach:
"Was ändert sich ggf. zu einem späteren Zeitpunkt? Oder geht es wieder einmal
nur darum, eigene Versäumnisse zu kaschieren? Bürgernähe sieht anders aus!"
Fall 2: Schulweg über Feldweg
Uneinsichtig zeigt man sich auch im Fall des Wunsches
von Anwohnern aus demselben Klingenberger Wohngebiet "Schlüsseläcker Nord", daß
der Feldweg vom Ende der Albert-Wagner-Straße zum Kindergarten Regenbogen
asphaltiert wird, weil im Rahmen der von der Stadt gewünschten
Nicht-Inanspruchnahme des "Eltern-Helikopter-Dienstes" ihre Kinder diesen Weg
zum Kindergarten und der dortigen Grundschule und nach Hause benutzen.
Bei schlechtem Wetter weicht der Feldweg auf und
entsprechend verschmutzt kommen die Kinder zur Schule und zurück nach Hause.
"Derzeit sind keine Finanzmittel verfügbar um, wie
von Ihnen vorgeschlagen, die Feldwegeverbindung zwischen der
Albert-Wagner-Straße und dem nördlich des Kindergartens in Ost-West-Richtung
verlaufenden und bereits heute asphaltierten Feldweges herzustellen", ist eine
Antwort, die man nur dann akzeptieren könnte, wenn Haushaltsmittel nicht
"gegenseitig deckungsfähig" eingesetzt werden könnten.
Schließlich gibt es laufend ähnliche Vorgehensweisen,
anderweitig nicht benötigte Mitteln umzuschichten.
Absolut mangelnde Bürgernähe durch die von den
Steuergeldern der Bürger lebenden Entscheidungsträgern offenbart die
abschließende Feststellung:
"Des Weiteren halten wir einen Umweg von ca. 280 m
über die alternativ vorhandene und befestigte Wegeverbindung westlich des von
Ihnen angesprochenen Feldweges für vertretbar".
Dabei hätte schon eine Schotterung des kurzen Abschnitts auf dem Feldweg für eine Abhilfe sorgen können...
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