Harald Wissmann zum Disput um Erika Steinbach:
Unserer Demokratie unwürdig
Neujahrsempfang der Vertriebenen

Die Vereinigten Landsmannschaften im Kreisverband Hellbronn des Bundes der Vertriebenen (BdV) hatten am 30. Januar 2010 wieder zum Neujahrsempfang in das "Haus der Heimat" eingeladen.

Mit zu Herzen gehenden Liedern umrahmte der Chor der Vereinigten Landsmannschaften die Veranstaltung, die der Vorsitzende Harald Wissmann mit einer wohlbedachten und dennoch deutlichen Begrüßungsrede eröffnete, die mit viel Beifall bedacht wurde.

Neben den Grußreden des  Heilbronner Kulturbürgermeisters Harry Mergel wünschten auch CDU-MdB Thomas Strobl, der Grünen-Fraktionsvorsitzende Harl-Heinz Kimmerle und der Sprecher von PRO Heilbronn im Gemeinderat, Alfred Dagenbach alles Gute zum Neuen Jahr.  

Letzterer mahnte, jetzt Rückgrat zu zeigen und nicht einzuknicken: "Es gibt weder eine Gleichheit im Unrecht noch ein Recht im Unrecht."

Die Einmischung von außen sei nicht hinzunehmen und Vergangenheitsbewältigung könne keine Einbahnstraße sein.
Auch der BdV-Landesvorsitzende und Ex-MdL Arnold Tölg nutzte den Empfang, um mit klaren Worten seinen Unmut über die politische Einflussnahme auf die Besetzung des Rats der Stiftung "Flucht, Vertreibung Versöhnung" mit ihrer Präsidentin Erika Steinbach kund zu tun.

Die auf dem Rücken der Opfer ausgetragene Diskussion sei mehr als blamabel.

Man könne mit den zwei Millionen Mitgliedern des Bundes der Vertriebenen so nicht umspringen, denn dieser habe "mehr für die Versöhnung getan, als alle Politiker der letzten Jahrzehnte zusammen".

 

Die Rede des Vorsitzenden Harald M. Wissmann

Meine Damen und Herren,
die politische Auseinandersetzung der letzten Monate um die Entscheidung des Bundes der Vertriebenen, sich in dem 13-köpfigen Stiftungsrat der Bundesstiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung" auch durch seine Präsidentin Erika Steinbach vertreten zu lassen, ist Singular, an Peinlichkeit schwerlich zu überbieten und unserer Demokratie unwürdig.
Die Bevormundung des Bundes der Vertriebenen ais Opferorganisation verträgt sich nicht mit den Menschenrechtsanforderungen, die von offizieller deutscher Seite immer wieder in Richtung anderer Staaten gestellt werden.
„Der Charakter und die Selbstachtung einer Nation zeigen sich darin, wie sie mit den Opfern der Kriege und mit ihren Toten umgeht." Nimmt man diese Aussage des Goethepreisträgers Raymond Aron zum Maßstab, so steht es nicht gut um Deutschland.
Mitgefühl und Respekt für die deutschen Opfer von Flucht, Vertreibung, Vergewaltigung, Mord Deportation und Zwangsarbeit sind dabei auf der Strecke geblieben. Erneut auf der Strecke geblieben.
Deswegen gilt auch heute mein besonderer Dank all denen, die sich nicht damit abfinden, dass das Benennungsrecht des Bundes der Vertrieben für den Stiftungsrat vorsätzlich unter Kuratel der Politik gestellt wurde, sondern die sich für das Selbstbestimmungsrecht des Bundes der Vertriebenen eingesetzt haben und weiterhin einsetzen.
Deutsche Politiker tun sich mit Respekt und Mitgefühl wie gerade ausgeführt nicht immer leicht. Bis zum heutigen Tage hat noch kein deutscher Außenminister an den Massengräbern der Opfer von Flucht und Vertreibung auch nur einen Kranz niedergelegt. Nicht bei den über 2000 Toten in Marienburg, nicht an den Gräbern der polnischen Lager Lamsdorf oder Potulitz, nicht an Massengräbern in der Tschechischen Republik oder in Ex-Jugoslawien bei den 11000 deutschen Opfern des Lagers Rudolfsgnad oder den 8500 Toten von Gakowa. Um nur einige wenige zu nennen. Die Anteilnahme der örtlichen Bevölkerung dieser Länder ist oft größer und engagierter als die menschliche Anteilnahme deutscher Politiker. Hier läuft etwas falsch im Staate Deutschland.
Nach meiner Auffassung ist es Aufgabe deutscher Außenminister, auch von Herrn Westerwelle, hier die Weichen zu stellen, statt Vertrauen bei den Nachbarländern durch Opfergaben eigener Staatsbürger oder Organisationen zu erkaufen.
Der lange schwelende Konflikt um die Besetzung eines Beiratsstuhles in der Stiftung durch den Bund der Vertriebenen ist ein Ergebnis dieser Politik. So würde man weder mit den Rechten von Kirchen, Gewerkschaften oder anderer Opferverbände umgehen. Und deshalb werden wir uns das als Bund der Vertrieben/Vereinigte Landsmannschaften auch nicht gefallen lassen.
Für mich steht fest, dass entgegen alle Beteuerungen, Herr Westerwelle im Streit um den Beiratssitz unserer Präsidentin Erika Steinbach, zunächst einmal die Interessen Polens vertritt
Warschau wollte nicht, dass in Deutschland je eine Stätte der Erinnerung an die Vertreibung von vielen Millionen Deutschen entsteht. Für die Erika Steinbach zusammen mit dem leider viel zu früh verstorbenen SPD-Spitzenpolitiker Peter Glotz seit vielen Jahren gekämpft hat. Peter Glotz können selbst böswillige Menschen nur mit Mühe unterstellen, er sei ein Revanchist, im übrigen haben sich 150 namhafte Sozialdemokraten in einem zweispaltigen Inserat in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schon 2007 für ein Zentrum in Berlin ausgesprochen.
Die Befürchtung Polens, von einen solchen „Zentrum gegen Vertreibungen" (der Plural ist Programm) an den Pranger gestellt zu werden, haben sich nicht bewahrheitet. Die von Erika Steinbach als Vorläufer organisierte Ausstellung „Erzwungene Wege" stand, so namhafte Historiker, der Ausstellung „Flucht, Vertreibung, Integration" im Haus der Geschichte in nichts nach. Eher noch kam darin das Schicksal der deutschen Vertriebenen zu kurz.
Weil, was natürlich lobenswert ist, Polen in Deutschland viele Freunde und Freundinnen hat, man andererseits aber den berechtigten Anspruch der Vertriebenen auf Erinnerung nicht ganz unter den Tisch fallen lassen konnte, einigte man sich in der Großen Koalition darauf, Frau Steinbachs Projekt in die Bundesstiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung" einzubinden.
Von den 13 Sitzen des Stiftungsrates sind drei für den Bund der Vertriebenen vorgesehen. Beschlüsse bedürfen der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Der Präsident der Stiftung „Deutsches Historisches Museum", in dem die Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung" eingegliedert ist, hat zur Sicherheit sogar noch ein Vetorecht. Erika Steinbach könnte sich despektierlich ausgedrückt also auf den Kopf stellen und mit den Zehen wackeln. Gegen die Mehrheit der anderen Mitglieder des Stiftungsrates können die drei Mitglieder des Bundes der Vertriebenen nichts, aber auch gar nichts bewirken.
Trotzdem liefen hohe politische Repräsentanten in Polen Amok. In der Tschechischen Republik erstaunlicherweise nicht. Unter allen Umständen sollte verhindert werden, dass Erika Steinbach den Stiftungsratssitz einnehmen konnte. Interessierte Kreise in der SPD, damals Regierungspartei, liefen übrigens mit.
Der Bund der Vertriebenen ließ, unter Zustimmung der Unionsfraktion im deutschen Bundestag den Sitz unbesetzt. In der Hoffnung auf einen Regierungswechsel und damit bessere Zeiten. Das diese mit einer CDU/CSU/FDP-Koalition kommen würden, erweist sich jetzt als Irrtum.
Der Oppositionsführer Westerwelle hatte sich aus der Diskussion immer fein herausgehalten. Andere FDP-Politiker, wie unser leider erst kürzlich verstorbenes Mitglied der FDP-Ehrenvorsitzende Otto Graf Lambsdorf, hatten sich da klar pro Bund der Vertriebenen positioniert. Möglicherweise fehlt unserem Bundesaußenminister der Rat durch den von ihm verehrter Otto Graf Lambsdorf.
Nun meint Herr Westerwelle anscheinend, in dieser Angelegenheit nicht nur die Rolle seines Amtsvorgängers übernehmen, sondern ihn darin auch noch übertreffen zu müssen. Auch die Argumente, die er zur Erklärung seiner plötzlichen Rückenversteifung vorbringt, sind bemerkenswert.
Frau Steinbach habe nicht für den deutsch-polnischen Grenzvertrag gestimmt. Das habe zu nachvollziehbaren Vorbehalten in Polen geführt. So weit so gut. Dem Vertrag verweigerten 1991 allerdings 23 Abgeordnete der CDU/CSU-Bundestagsfraktion die Zustimmung. Vor allem deshalb, weil Eigentums- und Vermögensfragen offen geblieben waren. Zudem hatte Erika
Steinbach geltend gemacht: „Man kann nicht für einen Vertrag stimmen, der einen Teil unserer Heimat abtrennt". Dem Vertrag verweigerte auch Westerwelles heutiger Kabinettskollege Bundesminister Ramsauer die Zustimmung. Der müsste, nach der Argumentation von Herrn Westerwelle, dann wohl die Bundesregierung verlassen. Wie soll ein derart Vorbelasteter mit Polen über den Grenzverkehr sprechen? Und wie ist es mit all den Politikern, die vor 20 Jahren gegen die deutsche Einheit waren? Wenn alle Ausschüsse und Beiräte von ihnen gesäubert wären, würde es in machen Gremien ziemlich leer aussehen.
In diese Angelegenheit geht es, anders als es Herr Westerwelle offenbar glaubt, nicht nur um die Versöhnung mit Polen. Manchem Politiker in Deutschland erscheint diese Aufgabe so groß, dass für andere daneben kein Platz mehr ist.
Erika Steinbach fand allen Anfeindungen zum Trotz deshalb soviel Zustimmung im deutschen Volk, weil die Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung" auch und insbesondere der Versöhnung Deutschlands mit seinen Vertrieben dienen soll. Versöhnung durch die öffentliche Anerkennung eines besonders schweren Schicksals. Die Bundesstiftung soll ein Zeichen der Empathie sein.
Es wäre ein Skandal und ein Armutszeugnis der zweiten Regierung Merkel wie auch für den Umgang Deutschlands mit seinen Heimatvertrieben insgesamt, wenn einer Frau der Stiftungsratssitz verwehrt bliebe, die es ohne ihr unermüdliches Engagement nicht gäbe. Die Steinbach-Idee war die Keimzelle der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung", um es einmal klar und deutlich zu sagen.
Zu den besten Brückenbauern für ein besseres Miteinander der Völker Europas gehören seit langem die deutschen Heimatvertriebenen. Tausendfach pflegen sie gute, freundschaftliche Kontakte zu den Menschen, die heute, oftmals selbst vertrieben, in ihrer alten Heimat leben. Auf dem Rücken der Opfer Herr Bundesaußenminister lässt sich ein friedliches, gutnachbarschaftliches Miteinander nicht gewinnen. Das bittere Unrecht, dass Millionen von Deutschen angetan wurde - einmalig in der Weitgeschichte - wir nicht dadurch Recht, weil es eine Folge in deutschem Namen begangenen Unrechts ist.
Mehr als einmal hat Erika Steinbach die Vertriebenen als „Opfer von Hitlers Politik" bezeichnet, der „die Büchse der Pandora geöffnet" habe. Sie hat sich unmissverständlich von der „Preußischen Treuhand" distanziert. Sie hat ausdrücklich betont, daß der Bund der Vertriebenen keine Forderungen an Polen stellt. Sie war es, die die Gleichsetzung von Vertreibung und Holocaust zurückgewiesen hat und den Völkermord an den Juden als das gebrandmarkt hat, was er ist: ein singuläres Verbrechen. Wer Erika Steinbach als Revanchistin bezeichnet, begeht meiner Meinung nach Rufmord. Wer polnische Kreise, die Erika Steinbach hinter dem russischen Ministerpräsidenten Putin als für Polen zweitgefährlichsten Politiker weltweit bezeichnen die Steigbügel hält, der macht sich nicht nur unglaubwürdig, der ist weltfremd. Eine ostpreußische Großmutter würde zu ihm wohl sagen: „Guido halte mal deinen Kopf unter kaltes Wasser!"
Wie schön wäre doch die politische Welt in Berlin, wenn der Bund der Vertriebenen einfach darauf verzichtete, seine Präsidentin in den Stiftungsbeirat zu entsenden. Die Kanzlerin könnte sagen, der Bund der Vertriebenen habe aus eigenen Stücken entschieden. Also müsste die Frage nicht ins Bundeskabinett. Westerwelle könnte sagen, es sei sein Verdienst. Und Polen könnte sagen, sein eigener Außenminister hätte das auch nicht besser hinbekommen können
Dummerweise spielt aber der Bund der Vertriebenen das Spiel nicht mit. Er hält es statt mit Westerwelle lieber mit Willy Brandt. Dieser schrieb den Schlesiern einmal ins Gästebuch: „Verzicht ist Verrat". Leider kam er später zu einer anderen Überzeugung!
Der Bund der Vertriebenen wird an der Benennung von Erika Steinbach festhalten. Darüber hinaus liegt den politisch Verantwortlichen in Berlin ein Kompromissangebot vor. Das zwingt auch andere Parteien und Politiker Farbe zu bekennen. Wer den Vertriebenen das Recht abspricht, wie z. B. die Kirchen selbst zu entscheiden, wen sie in den Stiftungsbeirat schicken, kann sich künftig alle Heucheleien auf den Heimattreffen des Bundes der Vertriebenen und seiner Landsmannschaften sparen.
In diesem Zusammenhang hat mich eine Erklärung des CDU-Bundestagsabgeordneten Karl Lamers nachdenklich gemacht. In n-tv/Politik war folgenden zu lesen: Traditionell stehe die Union den Vertriebenen nahe. Aber über die Jahrzehnte hinweg sei es „zu manchen Verkrampfungen gekommen". So sei den Vertriebenen nie offen gesagt worden, dass sich durch einen Friedensvertrag in punkto Entschädigung für sie kaum etwas zum Positiven ändern würde. Lamers verteidigte dieses Hinhalten als historisch „einzige Möglichkeit, die potentiell Enttäuschten an die Wirklichkeit heranzuführen". Lamers weiter" „andernfalls hätten wir nämlich bekommen was es zu vermeiden galt: Desintegration und Revanchismus". Ende des Zitates.
Ich kann nur hoffen, dass sich hier um eine verirrte Einzelmeinung in der Unionsfraktion handelt. Ich rate den Verantwortlichen in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion dringend mit Herrn Lamers einmal darüber zu sprechen, was er da von sich gegeben hat. Wenn er allerdings nur leichtsinnigerweise das ausgesprochen haben sollte, was in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Meinung ist, würde ich das als arglistige Täuschung über Jahrzehnte hinweg betrachten, ich möchte nicht über die Folgen nachdenken. Jedenfalls heute noch nicht.
Versöhnung ist ein großes Wort, ich persönliche halte den Anspruch der Politik Versöhnung zwischen Völkern zu schaffen für einen Irrweg. Versöhnung ist immer ein individueller Prozess, den man nicht politisch anordnen kann. Dazu gehört auch die Aufklärung von Tatsachen.
Aufklärung und Versöhnung gehen immer Hand in Hand. Vieles davon bekommt die Politik gar nicht mit. Es geschieht da wo es hingehört. Irrt zwischenmenschlichen Bereich. Daraus folgt -Menschen versöhnen sich - nicht Völker.
Geschichte braucht und hat einen langen Atem. Geschichte wird in Jahrhunderten geschrieben und nicht in Jahrzehnten. Und allzu oft gilt nach einem Krieg - der oder die Sieger schreiben die Geschichte.
Über 60 Jahre nach Ende des für alle Beteiligten schrecklichen 2. Weltkrieges sollten deutsche Außenminister, gleich welcher Partei und weiches Namens, das diplomatische Geschick verbunden mit menschlichem Gespür aufbringen, die Interessen des gesamten deutschen Volkes im Ausland zu vertreten.
Die Mitglieder des Kreisverbandes Heilbronn des Bundes der Vertriebenen und aller Landsmannschaften werden auch weiterhin ihren Beitrag zur Versöhnung- und Aufklärung leisten. Dieses Versprechen galt und gilt weiter.

                


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