Klarheit und Wahrheit

Gentechnik
Segen oder Fluch?

Zum Heilbronner SiebenröhrenbrunnenNach einem Redebeitrag im Gemeinderat der Stadt Heilbronn von Stadtrat Alfred Dagenbach[*] zu einem Anbauverbot von genverändertem Pflanzgut auf städtischen Pachtflächen

Der Bundestag hat am 11.02.2004 das dritte Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes verabschiedet. Damit wurden lediglich Rahmenbedingungen, die das Gentechnikrecht auf EU-Ebene regelt, in nationales Recht beschlossen. Bei dieser Freisetzungsrichtlinie handelt es sich überwiegend um Form- und Verfahrensvorschriften. Für den kommerziellen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen ergaben sich dadurch keine Änderungen. Die damit fehlende grundlegende Novellierung des deutschen Gentechnikgesetzes zu den wichtigen Fragen der Koexistenz und Haftung monierte ausdrücklich auch der Deutsche Bauernverband, denn bisher haben sich Bund und Länder nicht auf eine für alle Bauern verbindliche gute fachliche Praxis beim Einsatz der Gentechnik verständigt. Ebenso fehlt auf europäischer Ebene ein Schwellenwert für Saatgut, der die Einhaltung der Grenzwerte bei der Produktion von pflanzlichen Nahrungsmitteln gewährleistet.

Völlig ungeregelt ist dabei z.B. auch die vom Bauernverband angesprochenen Haftungsfrage. Wer haftet und trägt die Folgekosten, wenn ein Landwirt im guten Glauben und damit unverschuldet genverändertes Saatgut ausbringt, das sich dann auf andere Grundstücke wie das bewirtschaftete als Schadensverursacher erweist, von Eingriffen in Gesundheit, Natur und Umwelt ganz abgesehen? Muß es sich der Verpächter anrechnen lassen, daß er es durch Unterlassung einer entsprechenden Regelung billigend in Kauf genommen hat, daß durch ein gentechnisch bedingtes Schadereignis möglicherweise das Grundstück dauerhaft nicht mehr bebaut werden kann?
Von wegen also, daß da alles geregelt sei - und hier verbergen sich Risiken, weil es auch dazu noch keine einschlägige Rechtsprechung gibt.

Die Gentechnik hat nicht nur für die Landwirtschaft zwei Gesichter. Zum einen kann durch sie jahrelange landwirtschaftliche Züchtungsarbeit abgekürzt werden, andererseits kann sie aber auch zu Monopolen bei der Saatgutherstellung führen, die kleinere Saatzuchtbetriebe in den Ruin führen kann. Kritisch ist auch die gezielte Genmanipulation zu beobachten, durch die gleichzeitig zur Anwendung bestimmter Pflanzenschutzmittel gezwungen wird. Unübersehbar und damit der gefährlichste Part ist derzeit das Risiko, höchst unerwünschte Eingriffe in Natur, Umwelt und unsere eigene Gesundheit zu bewirken.

Vorteile
Die Vielfalt des Lebens von der einfachen Bakterie bis zum hochentwickelten Menschen wäre ohne die in Jahrmillionen stattgefundenen Genveränderungen oder Mutationen nicht möglich gewesen. Bei jeder Befruchtung einer Samen- oder Eizelle kommt es dabei zu einer völlig neuen Zusammensetzung der Gene. Die Gene ihrerseits sind bei allen Lebewesen nur aus 4 Basen zusammengesetzt: Es handelt sich dabei um Adenin, Thymin, Guanin, Cytosin
[1]. Verändert sich in einem Gen durch äußere Einflüsse, z.B. durch chemische Stoffe, radioaktive Strahlung, Viren- oder Bakterieninfektion die Zusammensetzung der Basen, so kommt es zu einem Erbsprung. In den meisten Fällen ist dieser negativ, d.h. das künftige Lebewesen ist mit Mängeln behaftet und die neue Art stirbt früher oder später wieder aus.

Die relativ wenigen positiven Veränderungen haben aber dennoch in Jahrmillionen zur Entwicklung immer besserer Lebewesen geführt, was durch natürliche Auslese noch gefördert wurde und wir als Evolution bezeichnen.

Herkömmliche Saatzüchtung versuchte daher neben der normalen Saatgutkreuzung und Selektion auch auf dem Weg der chemischen Behandlung z.B. mit dem Zellgift Colchyzin, oder der radioaktiven Behandlung, z.B. mit Röntgenstrahlen, des Saatgutes Fortschritte zu erzielen, womit auch in einem dennoch mühsamen und zeitlich weiten Weg Erfolge erzielt werden konnten.
[2]

Die Gentechnik versucht nun, diesen mühsamen Weg abzukürzen und bereits bekannte positive Eigenschaften in das lebende Zellmaterial zu implantieren, indem z.B. Gene, die für Krankheitsanfälligkeiten verantwortlich sind, gegen solche mit Resistenzeigenschaften ausgetauscht werden. Dabei werden sogar Hürden zwischen der Pflanzen- und Tierwelt übersprungen, d.h. theoretisch könnte es eines Tages möglich sein, das Hämoglobin des Blutes durch das Protoplasma der Pflanzen zu ersetzen oder umgekehrt.

In der Medizin verspricht man sich davon verbesserte Vorsorge- und Heilungsmethoden, in der Landwirtschaft bessere und gesündere Lebensmittel, die mit weniger Pflanzenschutzmittel behandelt werden müssen.

Die Vorteile der Gentechnik liegen also zum Einen in der Möglichkeit der Produktion ausreichender und gesunder Lebensmittel für alle Menschen und zum Anderen in der Bekämpfbarkeit bisher unheilbarer Krankheiten.

Risiken
Das Risiko der Gentechnik liegt aber darin,
- daß eine Pflanze z.B. unbekannte Giftstoffe entwickeln könnte, die bei Verzehr zu Krankheiten oder gar zum Tode führen.
Beispiele gibt es bereits genügend in der medizinischen Anwendung der Gentechnik;
- daß Pflanzen antibiotische - penicillinähnliche - Eigenschaften entwickeln und die so produzierten Stoffe über die Nahrungsaufnahme zu Resistenzen beim Menschen führen, so daß im Falle einer harmlosen Erkrankung Medikamente nicht mehr ansprechen;
- daß ein Bakterium - wie beim ersten Freilandversuch 1987 mit Erdbeeren in Kalifornien - das Gefrieren von Wasser verhindert und damit zu dramatischen Klimaveränderungen kommen kann. Dieses Eis-Minus-Bakterium ist bereits seit Jahren freigesetzt worden und niemand weiß, welchen Einfluß es auf die Abschmelzung von Eis an den Polen und Gletschern hat;
[3]
- daß Pflanzen für auf deren Verzehr angewiesene Tiere ungenießbar werden und diese aussterben;
- daß das Erbgut dominant ist und dadurch zur Ausrottung ganzer Arten beiträgt;
- daß die Nahrungsmittelkette von der Landwirtschaft über die Lebensmittelindustrie bis zum Verbraucher von Monopolisten abhängig wird, die diese genveränderten Lebensmittel züchten;
- daß die "normalen" Saatgutzüchter (die ebenfalls enorme Erfolge vorweisen können) dem Konkurrenzkampf unterliegen und die Monopolisierung fortschreitet;
- usw.

Die Problematik
Die Problematik liegt nun also darin, daß ggf. nicht nur positive Eigenschaften weitergegeben werden, sondern auch negative Stimulationen in den jeweiligen "Produkten" erzeugt werden können. Z.B. könnte eine neue Sorte auch Stoffe produzieren, die eine Lebensmittelallergie bei dafür empfindlichen Menschen bis zum Tode auslöst. So war eine neue Kartoffelsorte vor einigen Jahren genetisch manipuliert worden, um sie gegen Ungeziefer-Befall zu immunisieren. "Frankensteins Futter" schickte dann die Versuchstiere in den Tod, deren innere Organe sich in der kurzen Zeit lebensgefährlich vergrößert hatten und das Immunsystem zusammenbrechen ließ.

Oder andere produzierte Stoffe könnten für Insekten gefährlich werden, deren Aussterben wiederum die Nahrungskette für andere Lebewesen stören würde. Erst im März 2005 haben Forscher im Wissenschaftsmagazin Nature davon berichtet, daß der kommerzielle Anbau von genetisch veränderten Pflanzen große Wirkungen auf die umliegenden Gewächse und damit auch auf die Schmetterlinge und Bienen haben. Nach den Ergebnissen der Forscher, die ein Rapsfeld mit genetisch verändertem Canola-Raps untersuchten, der einem bestimmten Herbizid widersteht, nahm die Zahl der Schmetterlinge und Bienen drastisch ab.

Fazit
Die Frage ist, ob wir das alles wollen, ob wir solche Risiken tragen wollen - was ja im Falle der Ablehnung der Fall ist -, oder ob wir durch einfache Regelungen auch das eigene Risiko minimieren wollen. Hier ist nicht Ideologie und parteipolitisches Kalkül oder gar Lobbyismus gefragt, sondern der einfache und klare Menschenverstand und den soll es ja in diesem hohen Hause ab und zu auch mal geben - habe ich jedenfalls mal gehört.

[1] Mehr dazu

[2] Gentechnik

Befürworter der Gentechnik setzen diesen Eingriff in die Natur mit anderen Kreuzungen von Sorten und Rassen im Tier- und Pflanzenreich gleich. Ist-Zustand ist jedoch: es hat bereits negative Folgen der Gentechnik gegeben.

Zum besseren Verständnis ist Folgendes zur Klärung beizutragen:

Kreuzungen führen nicht zu genetischen Veränderungen, sondern "nur" zu Veränderungen im Erscheinungsbild.

Dazu muß man drei Ebenen unterscheiden.

Die erste Ebene ist die der Chromosomensätze.

Auf diesen sind die einzelnen Chromosomen aufgereiht (Ebene 2).

Die Chromosomen bestehen wiederum aus den Genen (Ebene 3). Diese bestehen aus den Desoxyribonukleinsäuren (DNS) Adenin (A), Guanin (G), Thymin (T) und Cytosin (C) und sind Träger der Erbinformationen.

Bei der Teilung (= Wachstum) einer normalen Zelle passiert folgendes:

Der gesamte Chromosomensatz im Kern der Zelle teilt sich der Länge nach (bzw. dupliziert sich), bildet einen doppelten Chromosomensatz, dieser trennt sich wieder und beide neu entstandenen Chromosomensätze werden neue Kerne von zwei neu entstandenen Zellen, worin sich das Spiel mit der Verdoppelung und Trennung immer wiederholt.

Bei einer Ei- oder Samenzelle findet dagegen diese Duplizierung nicht statt, weshalb diese bei Nichtbefruchtung absterben. Bei der Befruchtung einer Eizelle dringt die Samenzelle mit ihrem Chromosomensatz in diese ein und bildet zusammen mit dem Chromosomensatz der Eizelle den zum Wachstum erforderlichen doppelten Chromosomensatz. Die neue Mischung der Chromosomem ergibt ein neues Wesen, das die Eigenschaften der Eltern enthält. Zum Vorschein kommt dabei entweder eine der beiden Eigenschaften (Blütenfarbe rot oder weiß), wenn eine Eigenschaft dominant ist. Sind die Eigenschaften gleichwertig, entsteht die neue Farbe (rot + weiß =) rosa. Es entstehen Hybriden. Kennt man die Eigenschaften zweier Eltern und weiß man, welche Eigenschaften dann neu entstehen, kann man ganz gezielt z.B. eine Pflanze mit ganz bestimmten Eigenschaften erzielen (= F1-Hybriden). Kreuze ich diese wiederum, teilt es sich wieder in die Eigenschaften der Eltern auf (= F2-Hybriden). Ein Teil davon behält aber nach den Erbgesetzen die wesentlichen Eigenschaften der F1-Hybriden-Generation. Bei weiterer Vermehrung (F2 -> F3 -> F4 ->...) innerhalb dieses Stammes (= Inzucht!) wird die Wahrscheinlichkeit derselben Nachkommen immer größer und es wurde eine neue Rasse gezüchtet. Sie wird solange erhalten, solange die Zucht innerhalb der Rasse weiterverfolgt wird (kommt eine andere Rasse hinzu, entsteht sofort ein Bastard). Die neue Züchtung enthält aber keine anderen oder veränderten Gene, sondern Gene mit unerwünschten Eigenschaften wurden ausgeschieden und die erwünschten sind verblieben.

Genetische Veränderungen finden eine Stufe tiefer IN DEN GENEN statt. Passiert es in der Natur, spricht man von Erbsprüngen. Zumeist ist das Ergebnis ein krankes Wesen mit einem Gendefekt, der über eine Ei- oder Samenzelle weitergegeben wird, sofern er nicht Unfruchtbarkeit auslöst. In nur SEHR WENIGEN Fällen ist die Genveränderung (der Erbsprung) in der Natur positiv. Dann trägt er allerdings zur Evolution bei. Der bekannteste Gendefekt wirkt sich in normalen Zellen als Krebs aus. Wird z.B. ein Chromosom durch ein Strahlenteilchen getroffen, werden dabei Gene geschädigt.

Zumeist erkennt das Immunsystem die krank gewordene Zelle und beseitigt diese. Versagt das Immunsytem, vermehrt sich die kranke Zelle und es entsteht Krebs.

Künstlich wurden solche Genveränderungen in der Pflanzenzucht und zu Forschungszwecken wohl auch in der Tierzucht angewandt. Dazu wurden z.B. Röntgenstrahlen oder Gifte wie Colchyzin eingesetzt. Auch Genveränderungen durch Viren oder Bakterien sind sowohl in der Natur als auch künstlich möglich. Dabei dringen diese in die Zellen ein und es kommt in einem winzigen Bruchteil der Fälle zu einem Austausch der Gene.

Bei der künstlichen Gentechnik werden auch diese Methoden neben anderen angewandt und gezielt Gene mit bestimmten Eigenschaften ausgetauscht. Es werden dabei Eigenschaften in das Erbgut eingeschleust, die bei der jeweiligen Art vorher NICHT vorhanden waren. Im Gegensatz dazu waren bei einer normalen Kreuzung (Chromosomen-Ebene) die Eigenschaften vorher schon da, kamen aber z.T. nicht zum Vorschein. Sie werden mit jeder Fortpflanzung neu gemischt wie bei einem Kartenspiel. Bei der Gentechnik werden jedoch völlig neue Eigenschaften hinzugefügt, andere entfernt.

Das Risiko der Gentechnik liegt nun darin,
- daß eine Pflanze z.B. unbekannte Giftstoffe entwickeln könnte, die bei Verzehr zu Krankheiten führt (Beispiel: genmanipulierte Kartoffeln - Ist-Zustand!);
- daß Pflanzen antibiotische (penicillinähnliche) Eigenschaften entwickeln und die so produzierten Stoffe über die Nahrungsaufnahme zu Resistenzen beim Menschen führen, so daß im Falle einer harmlosen Erkrankung Medikamente nicht mehr ansprechen;
- daß ein Bakterium (wie beim ersten Freilandversuch mit Erdbeeren) das Gefrieren von Wasser verhindert und damit zu dramatischen Klimaveränderungen kommen kann (dieses Bakterium ist bereits seit Jahren freigesetzt! Ist-Zustand!);
- daß Pflanzen für auf deren Verzehr angewiesene Tiere ungenießbar werden und diese aussterben;
- daß das Erbgut dominant ist und dadurch zur Ausrottung ganzer Arten beiträgt;
- daß die Nahrungsmittelkette von der Landwirtschaft über die Lebensmittelindustrie bis zum Verbraucher von Monopolisten abhängig wird, die diese genveränderten Lebensmittel züchten;
- daß die "normalen" Saatgutzüchter (die ebenfalls enorme Erfolge vorweisen können) dem Konkurrenzkampf unterliegen und die Monopolisierung fortschreitet;
- usw.

Die Vorteile der Gentechnik liegen
- in der Möglichkeit der Produktion ausreichender und gesunder Lebensmittel für alle Menschen und
- in der Bekämpfbarkeit bisher unheilbarer Krankheiten.

 

[3] Eis-Minus-Bakterie: Pseudomonas syringae.
Vielfach unbekannt ist, daß Wasser bei absoluter Reinheit, bis -40 °C flüssig bleibt und nicht gefriert.

Daß Wasser in der Natur bei 0 °C gefriert, liegt an einem Bakterium: An der Oberfläche wird durch das Bakterium Pseudomonas syringae ein Lipoprotein als Kristallisationskeim für Eiskristalle gebildet. Dies fördert die Eisbildung in Gefrierpunktnähe.
Die genveränderte Eis-minus-Mutante des Bakteriums wurde durch die Inaktivierung des das Lipoprotein codierenden Gens erzeugt. Dadurch wird eine Eisbildung erst einige Grade unter dem Gefrierpunkt zugelassen. Man erhofft sich damit einen Frostschutz für empfindliche Kulturen, besonders in verfrühten Frostnächten.

Versuche im Labor haben ergeben, daß die genveränderte Eis-minus-Mutante die natürliche Ursprungsform des Bakteriums Pseudomonas syringae verdrängt und nach und nach seinen Platz einnimmt, wodurch Auswirkungen auf das Klima durch Beeinflussung der Eiskristallbildung in den Wolken zu befürchten ist.
Suspensionen des natürlichen unveränderten Bakteriums Pseudomonas syringae werden technisch zur Herstellung künstlichen Schnees verwendet.
Fachbuch: Molekulare Biotechnologie

 

[*] Alfred Dagenbach ist Gärtnermeister und Züchter hoch ausgezeichnenter Sorten der Pflanzenfamilie Pelargonium ("Geranien") unter Umgehung der klassischen Samenkreuzung. 

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