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"Die Zahl der
Opfer der alliierten Luftangriffe auf Dresden vom 13.und
14.Februar 1945 muss offenbar deutlich korrigiert
werden", heißt es lapidar in ein
Pressemitteilungen, die Anfang Oktober 2008 die
Öffentlichkeit beschäftigen. Bislang sprach die
Dresdener Stadtverwaltung von 35.000 Toten, eine
Historikerkommission kam nun aber zu dem Ergebnis, dass
höchsten 25.000 Menschen bei den Luftangriffen umkamen.
Der vorgebliche Zweck der Kommission war offensichtlich,
den "Missbrauch der Toten zu verhindern". Der Meldung
des Mitteldeutschen Rundfunks zufolge wurde die
Historikerkommission eingesetzt, "weil Rechtsextreme
ab 2005 verstärkt versucht hatten, die Trauer um die
Toten für ihre Zwecke zu mißbrauchen", die NPD
habe behauptet, es habe in Dresden 1945 eine halbe
Million Tote gegeben, und seit Februar 2005 veranstalte
die "Junge Landsmannschaft Ostdeutschland" am
Jahrestag der Bombardierungen regelmäßig
"Gedenkmärsche".
Das - und nicht die längst überfällige historische
Aufarbeitung dieses Themas - waren ganz offensichtlich
die politisch geprägten Motive. Vermutlich wird das "Ergebnis" einen Schuß
nach hinten geben, denn insbesondere in Sachsen wird man
derartiges im Volke weniger gerne als der Wahrheit
letzter Schluß akzeptieren. Zu Recht:
Mit dem Autor des Buches "Der Brand", Jörg
Friedrich* kann man einig gehen, daß es bei weitem keine
6-stellige Totenzahlen gegeben haben kann, aber das
Ergebnis dieser Kommission entlarvt sich durch eine
Falschaussage, daß "keine Belege für einen
'systematischen Beschuß' der Dresdner Bevölkerung mit
Bordwaffen englischer oder amerikanischer Jagdflugzeuge
gefunden wurden" und "einzelne Todesfälle
durch 'fehlgeschlagene Feuerstöße' werden
hingegen nicht ausgeschlossen" sind deshalb auch
keinesfalls akzeptabel, denn dieses Delikt gab es nicht
nur in Dresden.
Häufig hatte darunter insbesondere die Landbevölkerung
auf den Feldern zu leiden. Und daß die Jagdflieger ihre
offen bar häufig vergnügliche Menschenjagd ihren Dienststellen nicht offiziell
gemeldet haben, ergibt sich schon daraus, daß Bücher
über solche dem Kriegsrecht entgegenstehende Vorfälle
höchstens bei den Gegnern geführt wurden.
Friedrich hatte die Zahl aufgrund seiner eigenen
Recherchen und Vergleiche auf maximal 50.000 geschätzt. Die Krux an der ganzen Geschichte ist: Es gibt keine
neutralen Quellen. Die einen hievten die Zahlen
propagandistisch auf, die anderen stapelten sie herunter. Daher gibt es lediglich Plausibilitätsannahmen. Weder
die Goebbels-Propaganda - häufig Grundlage für die
Ewiggestrigen - noch die "offiziellen" Zahlen -
am allerwenigsten die jetzt vorgelegten - sind plausibel,
sind aber jeweils geeignet, Haß und Unfrieden zu säen,
wo nüchterne Aufarbeitung angesagt wäre.
Die von Friedrich geschätzten +/- 50.000 sind insoweit
relativ plausibel, als man auch nach 10 Angriffen Tote
nicht noch einmal töten kann. Relativ deshalb, weil es
auch "nur" die bisher angenommenen 35.000, aber
auch das Doppelte bis Dreifache sein kann. Alles andere
entspringt der Phantasie, die je nach Sicht der Dinge so
hingebogen wird, wie man es für seine jeweiligen Zwecke
gerne hätte. Daß es nur 18.000 gewesen sein sollen, ist
jedenfalls völlig unglaubhaft, insbesondere wenn man es
mit 20.000 Toten in Pforzheim vergleicht. Selbst
Heilbronn hatte fast 7.000 Tote. In Pforzheim wurden 1.575 Tonnen
Bomben abgeladen, in Heilbronn 1.200 Tonnen und in Dresden allein in den
ersten drei Angriffen dieser Schreckenstage 3.200 Tonnen.
Die Zahl 18.000 widerspricht aber dem normalen
Menschenverstand und ist daher eine Verhöhnung der
Opfer, die deshalb deutlichst hinterfragt gehört. Sowohl die massive Übertreibung ist abzulehnen wie die
Verhöhnung der Opfer durch Herunterrechnen. In beide
Fällen ist es ein Mißbrauchen dieses schrecklichen
Ereignisses - das ein Kriegsverbrechen darstellt - für
kalkulierte Zwecke. Wenn man aber Kriegsverbrechen mit falschen Angaben
untermauern will, so verlieren die Argumente an
Glaubwürdigkeit. Beides ist der Sinn derartiger
Behauptungen im Wissen, daß sie sofort beim jeweiligen
Klientel auf fruchtbaren Boden fallen.
Nun stützt sich die eine Seite auf die Erklärung des
ehemaligen 1.Generalstabsoffiziers des
Verteidigungsbereichs Dresden, des späteren
Oberstleutnants der Bundeswehr, Eberhard Matthes, der
damals die Verlustzahlen zusammenzustellen hatte. Danach
waren 35.000 Leichen voll identifiziert,
50.000 teilidentifiziert an Hand von Eheringen
usw.. Außerdem meinte er, es habe 168.000
Opfer gegeben, an denen es nichts mehr zu
identifizieren gab. Bemerkenswert: An anderer Stelle ist von 186.000
Opfer die Rede, an denen es nichts mehr zu
identifizieren gab. Hier kommt dann genau der Effekt zum Tragen, nämlich
daß am "glaubwürdigsten" der ist, dessen
Angaben einem am meisten gefallen. So geht es aber nicht.
"Dafür spricht der wohl authentischste Bericht, den es
vor Ort gegeben hat: Im Kriegstagebuch des Oberkommandos
der Wehrmacht vom Februar 1945 werden für den internen
Gebrauch nämlich circa 60.000 Tote genannt. Das sollte man bei der Diskussion nicht einfach
großzügig übersehen, denn hier sprechen die
"amtlichen" Gepflogenheiten eine klare Sprache.
Den "internen Gebrauch" bezeichnen
nämlich die Fakten für das Hintergrundwissen, das
gegenüber der Öffentlichkeit zurückgehalten werden
soll. Und die Wehrmacht war für derartige Angaben ein
bis heute unbestrittener integerer Faktor.
Tatsächlich nutzte die Goebbels-Propaganda das Massaker
in übertriebener Weise für ihre Propaganda-Zwecke unter
Ausnutzung des schrecklichen Geschehens, von dem sich die
Leute nur das allerschlimmste vorstellen konnten und es
daher als glaubhaft akzeptiert wurde. Abgesehen davon, daß die Matthes-Ungereimtheiten wohl
auf einen Zahlendreher zurückzuführen ist, bleibt doch
die Frage, wie diese Zahlen zustande gekommen sind. Der
Angriff war am 13.Februar und Mattes bringt seine
Ergebnisse mitten im Durcheinander der allerletzten
Kriegswirren am 29.April auf den Tisch. Und weiß dann
ziemlich 'exakt', daß es 168.000 oder 186.000 Opfer gab,
an denen es "nichts mehr zu identifizieren
gab".
Die Frage ist nun aber: wie paßt dann die Aussage von
"35.000 vollidentifizierten", d.h.man kennt
die Namen der Opfer, mit den nun heute behaupteten weit weniger
Opfer insgesamt zusammen?
Würden diese Matthes-Zahlen stimmen, so hätte es
zwischen 253.000 und 271.000 Opfer gegeben. Damit kommt
es aber den Goebbel'schen Propagandazahlen sehr nahe und
es nährt den Verdacht, daß damit die gegen Ende des
Krieges infolge der Befreiung von KZs bekannt gewordenen
Nazi-Verbrechen relativiert werden sollten.
Diese Zahlen widersprechen zudem anderen glaubhafteren
Angaben und insbesondere dem, was man heute im Vergleich
zu anderen Städten weiß. Schade, daß statt sachlicher Aufarbeitung nun wieder
einmal der normale Menschenverstand nach dem Motto
"es kann nicht sein, was nicht sein darf" auf beiden
Seiten an der Garderobe hängen bleibt.
Ob 1000 oder
10.000 oder 100.000 Tote: Jeder ist einer zuviel!
Hier ein Versuch der
Zusammenstellung der bekannten Zahlen:
Februar
1945 |
Kriegstagebuch
des Oberkommandos der Wehrmacht für den internen
Gebrauch |
circa 60.000 |
17.
Februar 1945 |
Neue
Zürcher Zeitung |
50.000 bis 70.000 |
17.
Februar 1945 |
Svenska
Morgonbladet |
100.000 |
März 1945 |
"Polizeiliche
Schlussmeldung bis 10.3.1945 |
18.375 geborgen
geschätzte Gesamtzahl etwa 25.000
|
22. März 1945
|
Elbe, SS- und
Polizeiführer im Tagesbefehl 47 |
20.204 geborgen
geschätzt 25.000
|
22. März 1945
|
Berliner
Polizei, Lagebericht 1404 |
18.375 geborgen
geschätzte Gesamtzahl 25.000 bis 35.000
|
22. März 1945
|
Ordnungspolizei
Dresden, zu Propagandazwecken gefälschter
Tagesbefehl 47 des Polizeiführers Elbe |
202.040
|
Oktober
1954 |
Hans
Rumpf, Generalmajor der Feuerschutzpolizei a. D.,
Wehrwissenschaftliche Rundschau Nr. 10/53, |
60.000 |
1955 |
Hans
Loch, Stellvertretender Vorsitzender des DDR-
Ministerrates |
300.000 |
1960/61 |
Referat
für Fremdenverkehr beim Rat der Stadt Dresden |
35.000 identifiziert |
1961 |
Hans
Rumpf, Generalmajor der Feuerschutzpolizei a. D. |
250.000 |
März 1962 |
Statistische
Bundesamt, Wirtschaft und Statistik
Heft 3 |
35.000 identifiziert
25.000 nicht identifiziert
|
1962/63 |
Brockhaus-Enzyklopädie,
17. Auflage |
60.000 |
1963 |
Erich Hampe,
Der Zivile Luftschutz im Zweiten
Weltkrieg |
35.000 identifiziert
25.000 nicht identifiziert
|
1963/64
|
David
Irving, Und Deutschlands Städte starben
nicht, Der Untergang Dresdens |
40.000 identifiziert
insgesamt 135.000 |
1963/64
|
Hanns
Voigt, Leiter der Abteilung Tote in der Dresdner
Vermißtenzentrale |
40.000 identifiziert
insgesamt 135.000 |
10.
Dezember 1964 |
David
Irving, Leserbrief an die Literaturbeilage der
Welt, unter Bezug auf den ungekürzten
Tagesbefehl 47 des Befehlshabers der
Ordnungspolizei Dresden vom 22. März 1945 |
202.040 |
7.
Juli 1966 |
David
Irving, Leserbrief in der Londoner Times |
25.000 |
2.
Dezember 1974 |
Rolf
Hochhuth, Schriftsteller, in einem Interview im
Deutschen Fernsehen |
202.000 |
1977 |
Sowjetskaja
Wojennaja Enzyklopädija, Moskau |
120.000 |
1977 |
Götz
Bergander, Journalist, Dresden im
Luftkrieg erscheint (überarbeitete
Neuauflage 1994) |
35.000 |
1990 |
Eberhard
Matthes, ehemaliger 1. Generalstabsoffiziers des
Verteidigungsbereichs Dresden, später
Oberstleutnant der Bundeswehr |
35.000 voll
identifiziert
50.000 teilidentifiziert
168.000 nicht identifiziert
|
1992
- 1994 |
Landeshauptstadt
Dresden |
250.000 bis 300.000 |
Dezember 1993 |
Dresdner
Stadtarchiv, Akten des Bestattungs- und
Marstallamtes |
21.271 registriert
25.000 geschätzt
|
Januar
1995 |
Landeshauptstadt
Dresden, offizielle Ausstellung über die
Luftangriffe, Begleitbuch Verbrannt bis zur
Unkenntlichkeit |
etwa 25.000 |
Dezember
2004 |
Jörg
Friedrich, Autor Der Brand", im
persönlichedn Gespräch mit dem Webmaster |
etwa 50.000 |
2005 |
Wolfgang
Schaarschmidt, Dresden 1945. Dokumentation
der Opferzahlen widerlegt die
Legende
von 202.040 Opfern
|
100.000
|
Oktober
2008 |
Historikerkommission
im Auftrag der Stadt Dresden |
18.000 - 25.000 |
Eine interessante und um
Objektivität bemühte Seite
Analyse Karin Zimmermann
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