Fernsehreifer Auftritt im Gemeinderat

25.6.2020 - Einer fernsehreifen Komödie glich die Debatte um die von der AfD im Gemeinderat angeregte Änderung der Polizeiverordnung.
Nicht zum ersten Mal hatte man im Heilbronner Gemeinderat den Eindruck, mitten in eine Szene der TV-Serie „Richterin Barbara Salesch“ geraten zu sein.
Die Fraktion der AfD hatte am Montag die Änderung der Polizeiverordnung in Sachen Leinenpflicht für Hunde auf die Tagesordnung des Gemeinderates setzen lassen, durfte aber nicht wie sonst üblich, als antragstellende Fraktion zuerst dazu Stellung nehmen, wie es bisher Usus war.
Der bereits auf den April datierte Antrag kam vorgeblich wegen der Corona-Pandemie erst jetzt auf die Tagesordnung.
Anlaß war, daß sich Landwirte wie auch Bürger zunehmend darüber beklagen, dass Hundehalter ihre Hunde in der Feldflur in frisch gesäte Äcker und auch während der Vegetationsperiode dort nicht nur laufen, sondern auch ihre Notdurft verrichten lassen.
Schon die Lebensmittelhygiene ist dadurch gefährdet.
Die derzeit gültige Polizeiverordnung untersagte ein solches Verhalten bisher nicht ausreichend und die von der Stadt eingesetzten Feldhüter haben dagegen keine Handhabe.
Deshalb beantragte die AfD-Fraktion, die Polizeiverordnung der Stadt Heilbronn zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und zur Abwehr von umweltschädlichem Verhalten so zu ändern, daß Hunde während der Vegetationsperiode vom 1. März bis 31. Oktober im landwirtschaftlich genutzten Bereich an der Leine zu führen sind und Hundekot auch nicht in der Feldflur abgelegt werden darf.
In der Zeit zwischen Antragstellung und schließlicher Aufnahme in die Agenda von Verwaltungsausschuß und Gemeinderat wurde Stadtrat Alfred Dagenbach davon nebst Bilddokument unterrichtet, daß in der Neckargartacher Feldflur offenbar ein von einem Hund gerissenes Reh aufgefunden wurde.
Die Nachfrage bei der Stadt ergab, daß es jährlich 3 bis 5 solche Fälle gebe, aber offensichtlich auch eine unbekannte Dunkelziffer.
Dementsprechend wurde dies von der Fraktion als weitere Begründung für den Antrag nachgeschoben und mit Farbbild der Geschäftsstelle des Gemeinderates nebst Hinweis auf die Quelle zugeleitet.

Es kann nicht sein, was nicht sein darf

Nachdem nach der Anmahnung, den Antrag doch endlich auf die Tagesordnung zu setzen, der Verwaltung nichts anderes übrig blieb und in Sachen Hundekot die Argumente zur Abwehr des Antrages fehlten, schrillten die Alarmglocken im städtischen Establishment.
Weil kein AfD-Antrag zum Erfolg führen darf, wurde noch am Morgen der Sitzung ein gemeinsamer Antrag von CDU, Grünen, SPD und FWV nachgeschoben – womit dafür auch die Mehrheit gesichert war.
Die nächste Chuzpe folgte auf dem Fuß: Nicht wie sonst gewohnt und üblich, durfte nicht die den Tagesordnungspunkt beantragende AfD-Fraktion ihren Antrag als erste in einer Stellungnahme begründen.
Zur Überraschung des dazu beauftragten Sprechers, Stadtrat Alfred Dagenbach, ging diese Aufforderung an das Lager der Trittbrettfahrer und die CDU durfte erst einmal ihren Standpunkt ausbreiten.
Dieses Vorgehen brachte Stadtrat Alfred Dagenbach in seiner nachfolgenden Stellungnahme auch gleich als erstes zur Sprache: „Üblich ist normalerweise, daß die Antragsteller zuerst Stellung nehmen, aber mich überrascht hier nichts mehr„.
Weiter: „Natürlich fällt auf, daß nun heute von 4 Fraktionen noch schnell ein Antrag nachgeschoben wurde, zu dem es von meiner Seite in den letzten Jahren über 20 Anfragen und Anträge gegeben hat, ohne jede Unterstützung derselben Antragsteller.
Der Beitrag war wohl zu peinlich und erzürnte mit einem fernsehreifen Auftritt den Sprecher der den CDU-Antrag unterstützenden FWV, Stadtrat Malte Höch.
Der reklamierte eine mangelnde Kenntnis der Geschäftsordnung und Fehler in der Darstellung eines Fotos in der Aussendung einer Erweiterung der Begründung durch Alfred Dagenbach.
Es gehe beim Aufruf der Redner in der Reihenfolge nach der Größe der Fraktionen.
Höch tönte, Stadtrat Dagenbach hätte 20 Jahre lang zwar Anträge gestellt, aber: „Wir setzen sie um„.
Wohl nichtsahnend bestätigte er damit, daß jene, die seine Anträge regelmäßig abgelehnt haben, sich diese dann plagiatorisch zu eigen gemacht haben.
Bestes Beispiel ist – unter anderem – die jahrzehntelang abgelehnte Forderung Dagenbachs nach dem kostenfreien Kindergarten, den heute dieselbe Klientel für sich reklamiert.
Überheblich kritisierte Höch mit Häme, Alfred Dagenbach habe das Presserecht verletzt, weil er unter das dem Antrag beigefügten Foto mit einem toten Reh die Quelle nicht genannt habe.
Außerdem sei durch die Schwarzweiß-Darstellung die Realität fehlerhaft dargestellt.
Es habe wirtschaftlich wohl nicht zu einem Farbdrucker gereicht.
StR Alfred Dagenbach bedankte sich für dessen fulminanten Vortrag herzlich und verwies darauf, daß er nur ein kleiner Stadtrat sei, der sich seit 30 Jahren bemühe, die Anliegen der Bürger so gut es geht zu vertreten und nicht ständig mit der Geschäftsordnung unter dem Arm herumlaufe.
Es sei eben bisher Usus gewesen, daß die antragstellende Fraktion zuerst Stellung nehmen konnte.
Im übrigen habe er der Geschäftsstelle des Gemeinderates sehr wohl ein Schreiben mit einem farbigen Foto zugesandt, nachdem das Thema im Verwaltungsausschuß von Kollege Stadtrat Dr. Benner angesprochen worden sei.
Sogar der OB mußte dies bestätigen und darauf verweisen, daß dies auch so per eMail weitergegeben worden sei.
Stadtrat Alfred Dagenbach: „Es gibt kein besseres Beispiel, wie sehr mit derart dubiosen Methoden vom politisch gewünschten Mainstream abweichende Sichtweisen diskriminiert und auch öffentlich transportiert werden. Ich weigere mich, mit solchen Vertretern der Intoleranz zu fraternisieren und werde meinem Stil treu bleiben, Klarheit und Wahrheit frei jeglicher Ideologie offen, laut und deutlich zu vertreten. Im Übrigen zeigt der Vorgang deutlich, weshalb ich fast jeden Redebeitrag zu Protokoll gebe.“

Faktencheck

Original-Stellungnahme