Linksextremismus im Verfassungsschutzbericht 2006
Gruppen
Der Bericht des Bundesverfassungsschutzes für 2006 [1] ist exemplarisch für
andere, auch neuere Berichte. Er berichtet von
etwa 30.700 (2005: 30.600) Personen zu Organisationen und
Gruppen, bei denen Anhaltspunkte für linksextreme Bestrebungen
festzustellen seien. Diese verteilt er auf zwei Hauptströmungen:
revolutionär-marxistische
Gruppen mit traditionellen Klassenkampf-Konzepten. Dazu wurden
2006 etwa 25.000 (2005: 25.400) Personen gezählt. Die
Mitgliederzahl dieser Gruppen ist seit Jahren rückläufig.
autonome Gruppen mit anarchistischen Vorstellungen eines freien,
selbstbestimmten Lebens in herrschaftsfreien Räumen,
die jede staatliche Herrschaft ablehnen. Zu ihnen zählt der
Bericht etwa 6.000 (2005: 5.500) Personen.
Von den ca. 60.300 Mitgliedern der Linkspartei.PDS wurden anders
als 2004 wegen ihres ambivalenten Erscheinungsbildes
und der Fusion mit der nicht als linksextrem eingestuften WASG
nur noch etwa 1.000 als Linksextremisten gezählt. Stärker
beobachtet wurde eine Jugendorganisation der Partei:
Zu den eher traditionell
marxistisch orientierten linksextremen Organisationen zählt der
Bericht:
- die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) mitsamt ihrer
Jugendorganisation SDAJ
- Kommunistische Plattform und Marxistisches Forum in der
Linkspartei.PDS
- die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD)
- die Rote Hilfe e.V.
Zu den Trotzkisten, die mit
Entrismus gemäßigtere Parteien zu unterwandern
suchten, zählt der Bericht:
- Linksruck
- Sozialistische Alternative (SAV)
- Revolutionär Sozialistischer Bund (RSB/IV. Internationale)
- internationale sozialistische linke (isl)
Zu autonomen Gruppen, die
teilweise Gewalttaten mit terroristischen Ansätzen begingen,
zählt der Bericht:
- die militante gruppe (mg)
- die Antideutschen
Er beobachtet auch autonome Vernetzungsbündnisse wie die -
Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation (AA/BO)
Zu den traditionellen
Anarchisten gehören nach dem Bericht:
- die Freie Arbeiter Union FAU
- die Graswurzelbewegung
- kleinere anarchistische Gruppen wie die
Anarcho-Kommunisten oder der deutsche Ableger der
weltweit organisierten
- Red and Anarchist Shinheads.
Zu den Zusammenschlüssen
tendenziell linksextremer Globalisierungsgegner zählt der
Bericht:
- die Interventionistische Linke (IL)
- Dissent! (plus X)
- das Revolutionäre Anti-G8-Bündnis, eine
Abspaltung von Dissent!
Als linksextremistisch
beeinflusste Gruppen sieht der Bericht:
- die Marx-Engels-Stiftung e. V. (MES)
- den Bundesausschuss Friedensratschlag (BAF)
Publikationen
Der Bundesverfassungsschutz hält etwa 30 Verlage und
Vertriebsdienste und etwa 220 von diesen verbreitete Zeitungen,
Zeitschriften usw. mit einer Gesamtauflage von ca. 6,5 Millionen
(2005: 7 Millionen) für zumindest teilweise linksextrem. Hinzu
kommen zahlreiche unregelmäßige und teilweise konspirativ
verbreitete Publikationen aus der autonomen Szene.
Als linksextrem betrachtet
werden folgende bundesweit erscheinende Medien:
- die Tageszeitung Junge Welt (jW), herausgegeben vom Verlag
8. Mai GmbH. Sie sei mit ca. 12.000 Exemplaren
ein bedeutendes Printmedium im linksextremistischen
Bereich.
- DISPUT, ein der PDS nahestehendes Monatsblatt
- Mitteilungen der Kommunistischen Plattform der
Linkspartei.PDS, monatlich
- Marxistisches Forum und PDS
International, unregelmäßig
- Unsere Zeit (UZ), wöchentlich, Parteiorgan der DKP
mit einer Auflage von ca. 7.000 (2005: ca. 6.300)
- INTERIM, ein zweiwöchentlich erscheinendes
Szeneblatt der Autonomen
- radikal, ebenfalls ein sogenanntes Untergrundblatt
der Autonomen
Beobachtet werden weitere mehr
als 50 regionale Szenepublikationen wie
- Swing (Frankfurt/Main)
- Zeck (Hamburg) oder
- incipito (Leipzig)
- Rote Fahne, wöchentliches Parteiorgan der MLPD
- REBELL, das zweimonatliche Magazin des
Jugendverbandes der MLPD
- Lernen und Kämpfen, mehrmals jährliches
Hochschulblatt der MLPD
- Galileo, zweimal jährlich erscheiende Zeitung der
Hochschulgruppe der MLPD
- DIE ROTE HILFE, vierteljährlich erscheinende
Zeitung der gleichnamigen Gruppe
- die Zeitung Graswurzelrevolution für eine
gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft als Plattform
traditionell anarchistischer Gruppen.
Als linksextreme
Internetplattformen gelten dem Verfassungsschutz:
- Antifa.de
- Puk.de
- Nadir: Link
- Indymedia: Link
Die Einordnungen fallen je nach Bundesland zum Teil verschieden
aus. Kritiker führen diese unterschiedlichen Wertungen auch auf
die aktuellen Regierungskonstellationen des jeweiligen Landes
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Aktionsfelder
Linksextremisten besetzen nach Einschätzung des
Verfassungsschutzes 2004 die Themenfelder Antifaschismus,
Antirassismus, die Globalisierung und den sogenannten
Sozialabbau. Dabei arbeiten sie mit Vertretern von Gewerkschaften
und Attac zusammen. Das Thema Friedenskampf sei durch den
Irakkrieg temporär wiederbelebt worden. Das Thema Anti-Atomkraft
gehöre dagegen der Vergangenheit an.[2]
Diese Aktionsfelder, so der neue Bericht, wurden 2006 durch die Kampagne gegen die für Juni 2007 geplante G-8-Gipfel-Konferenz in Heiligendamm überlagert. Die Mobilisierung dagegen sei zum Fokus der ganzen linksextremen Szene geworden. Diese versuche so einerseits ihre konzeptionelle und strategische Schwäche zu überwinden und andererseits das Thema für ihre weitergehenden Ziele in Richtung Systemüberwindung zu nutzen. Der G-8-Gipfel gelte in als Symbol der Macht des globalen Kapitalismus und seiner politischen und militärischen Gewalt. Mehrere Aktionskonferenzen hätten sich u.a. auf eine Großdemonstration, einen Alternativ-bzw. Gegengipfel und ein umfassendes Blockadekonzept verständigt.
Ein weiteres Aktionsfeld ist das Thema Antirepression, das seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 zunehmende Bedeutung für Linksextremisten gewonnen habe. Besonders Autonome betrachteten Sicherheitsgesetze, neue technische Fahndungsmittel, polizeiliche Gewaltprävention wie für den bevorstehenden G8-Gipfel als neue Qualität staatlicher Repression und leiteten daraus Rechtfertigungen ihrer Gewalt ab.
Den traditionellen Antifaschismus gegen Nazi-Aufmärsche, Einzelpersonen und Einrichtungen von Rechtsextremisten sieht der Bericht nur vordergründig als Bekämpfung rechtsextremer Strukturen. Ziel sei dabei vielmehr, die freiheitlich verfasste Demokratie zu überwinden und angebliche Wurzeln des Faschismus im Kapitalismus zu beseitigen.
Gegen die angeblich faschistische und rassistische Politik des Staates agieren traditionell marxistische Gruppen eher mit öffentlicher Agitation, Demonstrationen, Veranstaltungen und Wahlbeteiligung, Autonome dagegen auch mit Militanz. Besonders dem Trotzkismus zugeordnete Gruppen versuchten, nichtextreme Organisationen mit Entrismuspolitik (Unterwanderung) zu beeinflussen. Im Internet gebe es Hacker-Angriffe auf rechtsextremistische Internetseiten; die gewonnenen Informationen über Personen aus der rechtsextremistischen Szene würden verbreitet.
Linksextreme StraftatenDer Bericht weist insgesamt 5.363 (2005: 4.898) Straftaten mit linksextremistischem Hintergrund aus: 2,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Anteil Gewalttaten ging von 1.240 (2005) auf 1.209 um 3,8 Prozent Startseite. Das Bundeskriminalamt erfasste 2.369 (2005: 2.305) vollendete oder versuchte Straftaten, darunter 862 (2005: 896) Gewalttaten, davon 754 Sachbeschädigungen, 444 Körperverletzungen, 195 Fälle von Landfriedensbruch, 115 Widerstandsdelikte, 44 Nötigungen oder Bedrohungen, 42 Brandstiftungen, 41 gefährliche Eingriffe in den Verkehr, eine Sprengstoffexplosion und ein versuchtes Tötungsdelikt. Die Zahlen linksextremistischer Straftaten sind jedoch stets niedriger als vom Rechtsextremismus ausgehende.[4]
423 Delikte richteten sich gegen Rechtsextremisten. Im Bereich Antiglobalisierung wurden vier Delikte registriert, im Bereich der Antiatomkraftbewegung keins (anders als 2005 wegen der damaligen Castortransporte). Die meisten Straf- und Gewalttaten verzeichnete Berlin. Ein Großteil der registrierten linksextremen Widerstandsdelikte geht auf Zusammenstöße mit der Polizei bei Gegendemonstrationen gegen Rechtsextremisten Startseite.
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Linksextremismus
[1] Verfassungsschutzbericht 2006, herausgegeben vom Bundesministerium des Innern, 10 559 Berlin (pdf, Vorabfassung)